Sometimes German, sometimes English. • The title of this blog used to change from time to time. • Interested in me reviewing your music? Please read this! • I'm also a writer for VeilOfSound.com. • Please like and follow Audiovisual Ohlsen Overkill on Facebook!

2018-03-20

ANNA VON HAUSSWOLFF - Dead Magic

Spoiler: Wer meinen Bericht vom Hamburg-Konzert der Künstlerin vor zwei Wochen gelesen hat, den sollte nicht überraschen, dass das folgende Review aus beinahe uneingeschränkter Lobpreisung besteht.




ANNA VON HAUSSWOLFF - Dead Magic (LP) (2018)

Die Sängerin und Multiinstrumentalistin Anna von Hauswolff ist eine Künstlerin, die in keine der unzähligen schon existierenden Schubladen komplett hineinpasst. Art Rock liest man oft. In Ermangelung einer besseren Alternative labele ich sie in meiner Musiksammlung auch so. Doch unter diesem Begriff erwartet man eigentlich nicht etwas so düsteres, gewaltiges.

Orgel Drone könnte man sagen, denn mächtiger dröhnen könnte es tatsächlich kaum. Ein Indiz dafür auf diesem neuen Album ist schon der Produzent: Sunn O)))-Bändiger Randall Dunn holt man sich meist nicht ohne triftigen Grund an die Regler. Und die Orgel ist auch auf "Dead Magic" der monströse Koloss, auf dessen Rücken alles andere aufgebaut ist. Wie auf den Vorgängeralben spielt die Dänin hier kein bühnentaugliches, handliches Instrument, sondern eine echte Pfeifenorgel, Königin des Gedröhnes. Wo jene diesmal aufgenommen wurde, kann jeder Kopenhagen-Tourist mühelos in der Nachbarschaft von Schloss Amalienburg verorten: unter der großen Kuppel der Frederikskirche.
Doch auch dieses royale Instrument macht den Begriff Orgel Drone nicht umfassend genug.

Doom Metal kann man auf Discogs lesen, oder Prog Rock. Doch Anna von Hauswolff spielt weder Metal, noch ist sie instrumental ein große Angeberin.
Es ist aber leicht zu verstehen, wo diese Zuordnungen herkommen: Es ist die ungefilterte Intensität ihrer Musik, die so schwer wiegt wie nur die wenigsten Schwermetallbands, und ihre Furchtlosigkeit, von der sich die meisten progressiven Musiker sicher gerne eine Scheibe abschneiden würden.

Und vom Gesang habe ich dabei natürlich noch gar nicht geredet.


Doch komme ich einfach mal zum Album:

"Dead Magic" besteht bei einer normalen LP-Spielzeit von einer Dreiviertelstunde aus fünf Tracks, von denen das schon vorab mit Video (gedreht erneut von Annas Schwester Maria von Hausswolff, die auch das Coverfoto des Albums zu verantworten hat) veröffentlichte "The Mysterious Vanishing Of Electra" noch zu den kürzeren gehört.




Insbesondere in diesem wohl eingängigsten Stück des Albums macht Anna von Hausswolff keinen Hehl daraus, dass sie auf ihrer Tour im Vorprogramm der Swans sehr gut aufgepasst hat.

Und ist es hier vor allem die Form, die an Michael Giras Schaffen erinnert, so ist es insbesondere in den beiden je über zwölfminütigen Kernstücken des Albums, "The Truth, The Glow, The Fall" und "Ugly And Vengeful" das unerschütterliche Selbstbewusstsein und der ungebremste klangliche und emotionale Exzess ihrer Musik, die Anna von Hausswolff zur idealen Kandidaten macht, um das Loch im Universum zu füllen, welche die nun aufgelöste letzte Inkarnation der Schwäne hinterlassen hat.

Beide Stücke stoßen in gigantische Gefilde vor, die den meinsten Künstlern verschlossen bleiben. Insbesondere "Ugly And Vengeful" ist wie ein ganzes Leben und Sterben, wie ein Aufbau und Zusammenbruch einer Zivilisation. Wummern, Beben, ritualistische Rhythmen, Akkorde so groß wie die Schöpfung, eine Stimme, die aus Sphären wie Lisa Gerrard (Dead Can Dance) in ihren entrücktesten Momenten alle Facetten des Menschseins zugleich auszudrücken scheint; es ist überwältigend, wie perfekt hier alles zusammenkommt.
Und ja, auch wenn ich das Lied nebenbei höre: Bei 8:45 unterbreche ich grundsätzlich alles was ich tue und breite episch as fuck meine Arme aus, denn ich bin ein verdammter Superheld, der sich in einer Tränendrüsen zerstörenden Szene selbst opfert, um die Welt zu retten. Basta.

Ok. Während der Autofahrt nicht. Keine Sorge.

Anna von Hausswolf live im Kampnagel
An dritter bzw. vierter Stelle der Tracklist (Vinyl- und Digitalversion unterscheiden sich aus Platzgründen leicht) steht das kürzeste Stück "The Marble Eye", ein reines Orgel-Instrumental, welches wie u.a. schon die komplette 2016er EP "Källan (Betatype)" beweist, dass Anna von Hausswolff auch ohne ihren überragenden Gesang das ganz große Gefühlskino meistern kann. Einzig, dass diese Komposition relativ unvermittelt endet, ist einer der ganz wenigen Kritikpunkte am Album.

Diese Kritik gilt ebenso für den gefühlt viel zu frühen Schluss des ruhigen Finales "Källans Återuppståndelse". Allerdings habe ich den Verdacht, dass der abrupte Rauswurf aus der magischen Traumwelt hier - in seiner erstmal verärgernden und einen dann nach mehr hungern lassenden Wirkung - durchaus komplett beabsichtigt ist.

Dann fängt man eben wieder von vorne an! Ich persönlich könnte dieses Werk im Moment jedenfalls tatsächlich den ganzen Tag lang hören.

Fazit, wenig überraschend: "Dead Magic" ist für mich bisher unangefochten das Album des Jahres!


Ich empfehle hier als Format ganz klar die Schallplatte. Neben den üblichen Besserhörer-Gründen gefällt mir die Songreihenfolge hier besser - und neben dem Cover kommt auch die mir noch besser gefallende Illustration auf der Innenhülle besser zur Geltung; gezeichnet von Anna von Hausswolff selbst, deren kreative Talente offensichtlich unbegrenzt sind.
 


Highlights: Ugly And Vengeful, The Truth The Glow The Fall, The Mysterious Vanishing Of Electra





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen