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2024-03-16

YĪN YĪN, PACHYMAN und SCHERRY live im Knust, Hamburg (14. März 2024)


Donnerstag erlebte das ausverkaufte Knust eine außerordentliche Liveparty, und vielleicht sollte ich versuchen, mit meinen Berichten etwas schneller zu werden, denn was auch immer ich hier als Einleitung schreiben wollte, ist meinem Kopf schon wieder entflohen. Egal, kommen wir also gleich zum ersten von zwei Solokünstlern, die als Support dabei waren:






SCHERRY
Touren ist Familienbusiness. Als erstes kam der ehemalige Perkussionist und Bruder des Bassisten des Headliners auf die Bühne. Scherry spielte allerdings komplett elektronische Musik. Ein paar leicht weltmusikalische Anklänge der Marke Yīn Yīn waren aber unschwer erkennbar auch Bestandteil des synthwavegetränkten, mal leicht experimentell sperrigen, oft ummpffummpffummpfftanzbaren Sound des sharp-dresseed Dutchman.

Das war zwar nichts, was ich zwingend zu Hause hören müsste, doch live ging die boombassend groovende halbe Stunde dieser Show sehr flott vorbei. So ein kleines bisschen nerdiger Alleinunterhalter-Cringe/Charme gehörte dazu, vor allem während des mir wie so oft eher passiv bekannten  Achtziger-Jahre-Synthpop-Hits, von dem ich mir eine Textzeile hätte merken sollen, um Titel und Originalinterpret auf die Reihe zu bekommen. Stellt sie mir in einer Reihe auf wie im "I Want It That Way"-Cold Open von Brooklyn 99, und ich erkenne ihn bestimmt wieder! Bestimmt irgendwas mit Schulterpolsterjackett.








PACHYMAN
Als nächstes durfte ich mich mal wieder weit aus dem Balkon meiner Komfortzone hinauslehnen, sind doch karibische Klänge mit ihren plakativ fröhlichen Melodien nicht mein tägliches Brot. Mit Dub allerdings habe ich durchaus schon hier und da Berührungspunkte. Ursprünglichen Reggae Dub, in dem das Mischpult zum Hauptinstrument wird, habe ich bisher aber noch nicht live gesehen.

Auftritt Pachyman, der neben live performten Tasten auch alle vorproduzierten Instrumente tatsächlich selbt eingespielt hat. In der Show ging es aber eher darum, die jamaikanischen Sounds und Grooves durch blitzschnelles Reglerschieben, Knöpfchendrehen und Effektbedienen spontan ein- und auszublenden und zu manipulieren. Das ist schon ziemlich cool, zumal der vor guter Laune platzende Puortorikaner dies auch sehr schön sichtbar präsentierte. Eine interessante Horizonterweiterung und musikalisch für eine Weile auch ansprechend, wurde ich während der letzten zwei, drei Tracks aber schon ein wenig ungeduldig auf die Hauptband des Abends... 










YĪN YĪN
Yēah yēah! Als die Niederländer zum letzten Mal hier zu Gast gewesen waren, hatte es mich auch schon ungemein gejuckt zu kommen, doch leider siegte angesichts vollen Terminkalenders und leerer Kasse die Vernunft. Für diesen März allerdings ist jene zum Glück ausgeschaltet. Und nachdem ich nun erlebt habe, was für Feuerwerk dieses Quartett im Fujiyamapyjama abbrennt, wird zukünftiger Verzicht sicherlich ungleich schwerer fallen.

Wie kann man diese Show angemessen zusammenfassen? Auf mit Tigerfell bezogenen Sitzen ist das Publikum im Glitzercabrio vom Westernsaloon zum Discotempel in Tokyo, durch die Feierviertel Neu-Delhis und Berlins und über die Milchstraße gecruist. Wie schrieb ich im Review zum neuesten Album "Mount Matsu"? Siebziger-Funk trifft Italodisco und Kraftwerkrobotik. Japanischer Pop morpht zu Krautrock und Thaibeat surft mit Memphis-Soul und anderen Amerikana.

Live entwickelte dies nun eine noch immensere Partystrahlkarft als auf Konserve, wobei die Tatsache, dass die Band bereits über einen Monat auf Tour war, auch keine unwesentliche Rolle spielte. Alter, was waren die eingespielt! Wenn das Highlight der Show ein langes Drumsolo kurz vor der Zugabe ist, kann dies bedeuten, dass die Band ansonsten nicht ganz so prächtig unterhalten hat. Hier galt das komplette Gegenteil! Der Drummer, dessen Setup mit Rototoms, Bongos, Timbale und großem Gong schon ein Hinkucker war, erwies sich einfach nur als absolutes Tier und konnte einer an sich schon perfekten Show noch das i-Tüpfelchen aufsetzen.

Was braucht man mehr? Humorvolle Typen, die sich selbst nicht allzu ernst nehmen? Check. Ein Geburtstagskind auf der Bühne. Check. Alter, was war das gut! Ich könnte hier nun eigentlich alle Musiker einzeln mit Lob überschütten, doch die Hauptgewinner sind hier ganz klar die Gruppe als Ganzes, ihr global vereinendes Konzept und die Liebe zur Musik an sich.

Phänomenales Dutchploitation-Tanzkino!









2024-03-10

OUM SHATT und KARA DELIK live im Molotow, Hamburg (08. März 2024)


Mein Terminkalender sagt mir, ich habe bis Anfang April einmal pro Woche nach Hamburg zum Konzert zu fahren. Den Anfang dieser Serie markierte am Freitag das Doppel aus den mir erst jüngst mit ihrer "Singularities"-Singlereihe begegneten Kara Delik und den von mir tatsächlich nur durch ein, zwei Videos recherchierten Headlinern Oum Shatt.

Zum Glück war meine Ahnunglosigkeit aber nicht ansteckend, denn das leider zur Schließung wegen Bullshitimmobilienneubau in diesem Jahr verdammte Molotow war komplett ausverkauft. Und zum noch größeren Glück kam ich nach ein paar bangen Minuten hin und her auch tatsächlich rein, obwohl mein auf der Gästeliste stehender Name nicht auf physisch anwesenden Gästeliste stand. Das ist bei der Stunde Anfahrt, die ich habe, dann schon ein wenig stressig.

Darüber habe ich dann auch die örtliche Einweisung am Einlass verpasst und schnell gemerkt, dass mein letztes Konzert hier schon eine Weile her sein musste (Esben And The Witch und Nadja; immerhin Anfang 2019), da ich mich doch glatt halbwegs auf dem Weg vom WC zum Saal verlief. Spinal Tap aus Publikumssicht sozusagen. Dabei ist der Laden ja nun wirklich nicht riesig. Tatsächlich war die Bude so voll, dass der Merchstand in die Kälte des Innenhofs verbannt wurde. Brrr.






KARA DELIK

Musikalisch ging es an diesem Abend allerdings heiß her. Das sich sehr basisdemokratisch mit gleichem Gewicht der drei Musiker/Sänger präsentierende internationale Trio Kara Delik lieferte genau, was ich mir erhofft hatte, und das war neben der Qualität ihrer schwer definierbaren Mischung aus psychedelischem Rock, Post Punk, Dub und jeder Menge Anatolika (falls dies überhaupt ein Wort ist) vor allem eine Riesenladung Spaß.

Die präzise polyrhythmisch in the pocket groovende Drummerin und exzentrischste Sängerin der Runde Eilis Frawley war für sich schon eine Show, und auch Elektrolautenspieler Barış Öner brachte seine Mitmusiker mit gelegentlichen stimmlichen Rockstaranfällen zum Grinsen, während Andi Sommer an Bass und Elektro/Effektgedöns die Kiste wahlweise zusammenhielt oder spannend dekorierte.

Es war ein verrücktes und doch zugängliches Orientrockfest einer sympathischen - wenn auch nach drei Wochen Tour etwas "langsamen" und kommunikationswackligen Gruppe, deren letztjährige Single-Quadrologie ich dann auch gerne später draußen aberntete.











OUM SHATT

Das Quartett Oum Shatt hat im Vergleich sicherlich einen von Song zu Song koherenteren Stil mit unzweifelhaft auch kommerziell größerer Strahlkraft. Und wenn ich anfange, die Band zu beschreiben, klingt es zunächst so, als läge sie weit außerhalb meiner Komfortzone: Alternative Rock, der in seiner Evolution jenseits der Wurzeln im Post Punk bei einem an Gruppen wie Franz Ferdinand erinnernden Sound angekommen ist und gelegentlich sogar die Grenze zum Allgemeinplatz Pop überschreitet. Nein, mit der Beschreibung allein köntest Du mich vermutlich nicht locken.

Allerdings - und das ist ein gewaltiges allerdings - ist das Ganze bis Kinnladenhöhe in Arabismen getränkt. Großartiges, komplexes und doch nachvollziehbares Drumming mit vielen nahöstlichen Sounds und Ideen und zwar kein traditionelles Saiteninstrument wie bei Kara Delik, aber zwei Gitarren, die dennoch oft klingen wie ein in morgenländischen Stakkatos frage-antwortendes Lautenduo. Dazu der Bass wechselweise auf Saiten oder Tasten und entspannt sonor in den Achtzigern hängengebliebener Gesang. Interessanter Moment in der Zugabe, als ich mir eine Leadgitarre statt clean und twangy in verzerrt vorstellte und eine astreine Blackmetal-Tauglichkeit feststellte.

Ich will nicht sagen, dass Oum Shatt so tight klangen, dass es burnte, aber ich sage trotzdem einfach: Oum Shatt waren so tight, dass es burnte. Diese Gruppe hat ihre Formel perfektoniert und weiß sie beeindruckend auf die Bühne zu bringen. Saygım!