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2017-11-15

KAMASI WASHINGTON - Harmony Of Difference

Es gibt neues von Kamasi Washington, und zwar... ja, was denn? Ein gewisser Onlinehändler bietet "Harmony Of Difference" als Vinyl-Single an, doch bei sechs Tracks und einer Spielzeit über einer halben Stunde ist es realistisch natürlich eine EP.

Dennoch hat das kleine a nicht ganz Unrecht, dann nämlich, wenn man die Platte ins Verhältnis zum dreistündigen Debütalbum "The Epic" setzt. Und auch vom Konzept her kann man hier beinahe von einer Single sprechen.



KAMASI WASHINGTON - Harmony Of Difference (12") (2017)

Den konzeptionellen Überbau von "Harmony Of Difference", zu dem neben der Musik noch eine Gemäldereihe von Kamasis Schwester Amani Washington, sowie ein Film gehören, kann und will ich hier jetzt nicht komplett sezieren. Letztendlich läuft es auch auf eine einfache, universelle Botschaft des Zusammenbringens und - lebens hinaus.

"Harmony Of Difference" ist eine Übung in der Verbindung von Unterschieden, Gegensätzen, musikalisch vertreten durch Kontrapunkte.

Auf Seite A befinden sich die fünf kurzen Stücke "Desire", "Humility", "Knowledge", "Perspective" und "Integrity". Seite B fügt diese fünf unterschiedlichen Einzelteile dann im dreizehneinhalbminütigen "Truth" zu einem großen, alles verbindenden und instrumental noch dicker auftischenden Ganzen zusammen.

Dieses Prinzip spiegelt sich auch in dem auf dem Cover, sowie in Farbe in einem kleinen Booklet präsentierten Gemälden wieder, welche jeweils einen Song repräsentieren und gemeinsam ein abstraktes menschliches Gesicht ergeben.
 




Stilistisch fährt Kamasi Washington den Weg von "The Epic" konsequent fort. Die funkigeren, modernen Ausflüge bleiben also zunächst weiter den Liveshows bzw. seinen Kooperationen mit anderen Künstlern vorbehalten.

Hier herrscht stattdessen großformatiger Spiritual Jazz in der Tradition Pharoah Sanders und der Coltranes, angetrieben wie gewohnt vom Kontrabass Brandon Colemans und gleich zwei Drummern, Tony Austin und Ronald Bruner Jr. - überhaupt ist die ganze Gang aus Kindheits- und Jugendfreunden (u.a. Ryan Porter an der Posaune und Brandon Coleman an den Keyboards) wieder  mit dabei, was natürlich dazu beiträgt, dass nicht nur das reine Zusammenspiel, sondern auch die darüber hinaus spürbare Chemie die Performance bemerkenswert machen.

Und auch wenn keine der A-Seiten-Kompositionen ein Füller ist; natürlich ist "Truth" der Star und Höhepunkt der Platte. Hier packt Washington die volle Maximalistenkeule aus und die mit bis dahin acht Personen eh schon stattliche Besetzung nimmt orchestrale Ausmaße an.

Neben Vibrafon, Alt-Saxophon und Gitarre geben sich auch der unverwechselbar blubbernde Bass von Thundercat und Kamasis Vater Ricky Washington an der Flöte die Ehre.
Und weil viel noch lange nicht genug ist, dürfen natürlich auch das Streicherensemble, sowie der Chor inklusive Patrice Quinn nicht fehlen.

Kamasi Washington live 2016
Für jenen, der bis hierhin gelesen hat und keine Ahnung hat, wer Kamasi Washington überhaupt ist, muss ich natürlich noch erwähnen, dass er Tenor-Saxophon spielt. Während er sich meistens damit zufrieden gibt, mit dem Gesamtbild zu verschmelzen, sind seine Soli mit ihrem rauen, oft beinahe (aber nur beinahe) zu abenteuerlichen Ton das spirituelle Herz der Stücke. Gerade in seinem Willen, dem Instrument Klänge abzukämpfen, für die es offensichtlich nicht gebaut wurde, ist und bleibt er ein Musterschüler John Coltranes.

Das alles ergibt ein gleichzeitig harmonisch in sich ruhendes, aber auch wild treibendes, tiefe Freude an der Musik und am Dasein überhaupt ausstrahlendes Stück Jazz vom Feinsten. Zutiefst traditionell, aber dafür umso frischer und energiegeladener präsentiert. Und vielleicht sogar Washingtons bislang vollkommenste Schöpfung. Darauf möchte ich mich aber nicht festlegen.


Als i-Tüpfelchen von "Harmony Of Difference" ist jedenfalls festzuhalten, dass die Produktion sich im Vergleich zum auf Dauer doch etwas zu dumpfen "The Epic" verbessert hat. Gerade auch im Vollwaschgang mit komplettem Chor- und Streichergeschirr fließt hier alles noch besser zusammen. Man darf natürlich annehmen, dass die Kürze des Projekts hier evtl. bei der Fokussierung im Mix geholfen hat.

Wie auch immer, das Resultat ist fantastisch und bekräftigt die Position von Kamasi Washington als Fackelträger des Jazz, der ihn wieder vor ein größeres Publikum führt.



Und zu dem günstigen Preis kann (und sollte) man an dieser EP ohnehin nicht vorbeilaufen.


Highlights: Truth, Integrity, Humility



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