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2016-11-12

THANK YOU SCIENTIST - Stranger Heads Prevail

Eines der schönsten Erlebnisse beim Entdecken neuer Musik ist doch, wenn dir ein Album einen Wunsch erfüllt, von dem Du gar nicht wusstest, dass Du ihn hattest.

Ähnlich wundervoll ist es allerdings, wenn dir der Wunsch zwar durchaus bewusst war, Du aber nicht geahnt hast, wie groß die Freude über seine Erfüllung tatsächlich sein würde.

Zu jener Kategorie gehört das folgende Album.



THANK YOU SCIENTIST - Stranger Heads Prevail (green clear 2LP) (2016)

Nun ist es ja nichts neues, dass ich ein Freund progressiver Musik und stimmig umgesetzter, wilder Stilmixe bin. Dieses Jahr haben mich in diesem Bereich besonders Seven Impale, Oceans Of Slumber und Haken begeistern können.

Auch die New Jerseyaner Thank You Scientist agieren spielerisch im schwindelnd hohen Niveau dieses Zirkels und teilen seine kompromisslose Abenteuerlust. Ihr Sound unterscheidet sich jedoch deutlich von allen drei genannten Gruppen.

Schon die siebenköpfige Besetzung, welche einen Geiger und eine Bläsersektion aus Trompete und Tenorsaxophon beinhaltet, verrät, dass hier kein alltäglicher Progmetal zu erwarten ist. Und wenn man selbst neben seinem regulären Instrumentarium u.a. noch mit bundloser Gitarre, Sitar, Theremin und Säge am Start ist, dann ist es nur konsequent, sich dazu auch noch reichlich Gastmusiker und Backgroundsänger ins Studio einzuladen.

Sind Thank You Scientist also noch viel verkopfter, unvorhersehbarer, advantgardistischer, wissenschaftlicher unterwegs, wie es der Bandname und das großartige Coverartwork suggerieren?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Musik ist sehr zugänglich. Auch wenn ja schon meine oben aufgeführten aktuellen Genrelieblinge nicht gerade mit Ohrwürmern geizen, dürfte über die gesamte Spielzeit wohl höchstens das neue Werk der Neal Morse Band, welches gerade in diesem Moment noch ungehört neben mir auf dem Schreibtisch liegt, den Popappeal von "Stranger Heads Prevail" schlagen können.

Tatsächlich glaube ich, dass Thank You Scientist hier ein Album eingespielt haben, welches sogar noch viel eher in der Lage ist, auch Hörer außerhalb des Progmetal- bzw. Progrockspektrums zu interessieren.
Warum? Zum einen klingt die Band, obwohl sie durchaus sehr abwechslungsreiche Songs schreibt, nie von einen Track zum nächsten zu radikal unterschiedlich, sondern ist immer sofort zu erkennen.
Zum anderen strahlt ihr Stilmix einfach eine unglaublich ansteckende Positivität aus, die - so glaube ich zumindest - es jedem Freund eines der hier sehr gleichwertig verarbeiteten Musikgenres ermöglichen sollte, sich auch jenen Elementen gegenüber aufzuschließen, die aus von ihm vielleicht sonst nicht favorisierten Musikstilen stammen.

Ja, und welche sind das denn nun?

Zunächst einmal haben wir ganz klar die neue Progmetalschule, die derzeit wohl von Haken angeführt wird. Es ist also durchaus einiges an modernem Riffgeknote, von Dream Theater inspirierter Rhythmik und vor allem auch Petruccismen im Gitarrenspiel zu finden.
Die melodische und harmonische Sensibilität führt natürlich weiter zurück zu Queen und ganz deutlich im leicht augenzwinkernden, musicalhaften Prolog und Epilog, die das Album einrahmen, zu den allheiligen Beatles.

Sänger Salvatore Sarrano ist allerdings gar kein Metal- und auch nur am Rande ein Rocksänger. In Songs wie "Need More Input" hat seine Stimme ganz klar Ähnlichkeit mit Cedric Bixler-Zavala von The Mars Volta, insgesamt ist er allerdings weniger exzentrisch und näher am Soul, was dann durchaus an den frühen Michael Jackson (Post-Jackson Five) erinnern kann, wie z.B. in "Mr. Invisible", dem zentralen Hit des Albums, welchen ich mir ganz hervorragend auch von Janelle Monáe gesungen vorstellen könnte. Tatsächlich atmen Thank You Scientist hier einen ganz ähnlichen verbindenden Geist wie die Electric Lady.

Dieser ganz spezifische Rock/Black Music-Crossover ist nebenbei auch die Verbindung, auf die ich am meisten gewartet hatte; dass mal jemand die Musik jener Künstlerin, die im Grunde ja Prog-Albem mit den Mitteln schwarzer Popmusik macht, mit tatsächlichem Prog verbindet. Und Junge, das gelingt hier!

Dafür sorgen neben dem Gesang vor allem die ununterbrochen sehr präsenten Bläser. Die können im Zusammenspiel mit Violine und Gitarre zwar auch mal cineastisch, sehnsüchtig oder wie in "Psychopomp" orientalisch, bringen aber vor allem jede Menge fetzigen Funk ins Spiel.

Progrock, Metal, Soul, Pop, Funk... Was fehlt noch?
Natürlich noch eine sehr gesunde Portion Jazz Fusion, die vor allem im herrlichen Instrumental "Rube Goldberg Variations" kulminiert.

Das alles klingt in der Beschreibung vielleicht abenteuerlich - und ist es auch - aber es ist in jedem Moment stimmig und glaubwürdig. Vor allem aber ist die spielfreudige Energie von "Stranger Heads Prevail" einfach absolut ansteckend und süchtig machend.
Ein tadelloses Doppelalbum einer sensationell guten Band, deren Popularität auf jeden Fall noch reichlich Luft nach oben hat.


Die Aufmachung des Tonträgers ist ebenfalls klasse, allerdings hätte man die eine komplett frei gelassene Seite des Gatefolds auch gerne noch für Songtexte nutzen können.
Mir gefällt es sehr gut, doch Schwarzes-Vinyl-Puristen müssen vermutlich noch die nächste Pressung abwarten oder sich halt mit der CD begnügen, denn bisher gibt es die Schallplatten nur in diesem schicken Grün:



Zum Schluss bleibt mir nur, eine allerhöchstamtlichrichterliche Empfehlung auszusprechen, sowie der Schlusssatz, den bei dieser Band ganz bestimmt noch niemand gebracht hat:

Thank you, Thank You Scientist!


Highlights: Mr. Invisible, Rube Goldberg Variations, Caverns, Blue Automatic


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