Sometimes German, sometimes English. • The title of this blog used to change from time to time. • Interested in me reviewing your music? Please read this! • I'm also a writer for VeilOfSound.com. • Please like and follow Audiovisual Ohlsen Overkill on Facebook!

2015-10-17

SKEPTICISM - Ordeal

Skepticism sind eine eher langsame Band. Und das betrifft sowohl ihre Musik als auch ihren regulären Veröffentlichungsrhythmus von fünf Jahren.

Da die Fans der Finnen auf das neue Werk nun sogar satte sieben Jahre warten mussten, haben diese sich als Entschädigung etwas Besonderes einfallen lassen.



SKEPTICISM - Ordeal (black&white splatter 2LP/DVD) (2015)

"Ordeal" wurde vor Konzertpublikum in einem Musikclub aufgenommen, ist also ein lupenreines Live-Album - jedoch mit neuem Songmaterial!

Ok, Skepticism sind bei weitem nicht die erste Band, die sich an dieser Übung versucht.
Natürlich sind die Zeiten, in denen solche Projekte im Rock und Jazz häufiger vorkamen (und auch im Studio noch viel mehr live eingespielt wurde) lange vorbei. Doch gerade erst dieses Jahr haben ja Motorpsycho ihr unfassbar kreatives und epochales "Konsert For Folk Flest" herausgebracht.

Bei den Norwegern wurde allerdings in erster Linie ein so wohl kaum wiederholbares (und auch nicht im Studio reproduzierbares), einmaliges Konzert für die Nachwelt erhalten.
Die Finnen hingegen hätten die Songs von "Ordeal" auch genauso gut als reguläres Studioalbum aufnehmen können.



Stattdessen aber nach sieben Jahren Funkstille, als relativ obskure Kultband in einem ebenso obskuren Subgenre eines Metal-Subgenres das Risiko eines Livealbums ohne Tricks und doppelten Boden. Warum?
Zum einen ist es natürlich ein sehr selbstbewusstes Statement, was an sich schon durchaus etwas wert ist, zum anderen funktioniert Funeral Doom als Livemusik auch in diesem Zusammenhang einfach mal sehr gut.


"Ordeal" besteht aus sechs Stücken zwischen sieben und zwölf Minuten.

Als mein Bruder zum ersten Mal ein Video der Band sah, sagte er, sie klinge wie eine zu langsam abgespielte Single von Amorphis. Damit hat man hier sowohl den Opener "You" als auch einige spätere Passagen tatsächlich ziemlich gut beschrieben. Für andere Lieder trifft allerdings eher die Beschreibung "zu schnell abgespielte Bell Witch" zu.
Die Musik ist also sehr getragen, strebt jedoch nicht nach absoluten Slow-Motion-Rekorden.

Die Wurzeln liegen ganz klar im deathmetallischen Doom.

Skepticism erzeugen dazu - mal tieftraurig, mal erhebend - eine enorme klerikale Gravitas durch die sehr zentrale Rolle der Keyboards, die hier das absolute Gegenteil von Casio-Taschenerechnersounds abliefern. Nein, hier wird mächtiges, analoges Gerät aufgefahren. Die Orgel dröhnt satt und ehrfurchtgebietend, wie man es in welcher Art von Rockmusik auch immer nur selten zu hören bekommt.
(Klar, die gigantische trondheimer Kirchenorgel im oben erwähnten Motorpsycho-Album schlägt natürlich alles, lässt sich allerdings dafür auch auf keine Bühne mitnehmen. Und im Review dazu habe ich nebenbei ebenfalls die Vokabel "Gravitas" benutzt.)



Am Songwriting kann ich nichts beanstanden. Jedes Stück taugt als Paradebeispiel dafür, was großer Funeral Doom ist. Insbesondere ragt für mich "The Departure" heraus.
Der beste Einzelmoment des Albums ist wohl der recht abrupte Schluss von "Closing Music" und die unglaublich lange Pause, die das Publikum braucht, um das Ende zu realisieren und danach noch frenetischer zu applaudieren.

Natürlich hat "Ordeal" auch Schwächen, die man im Studio sicherlich vermieden hätte. So sitzt nicht jedes Timing zu hundert Prozent aufeinander und besonders der hauptsächlich aus Growls bestehende Gesang schwangt schon hörbar in seiner Lautstärke oder der Richtigkeit seiner englischen Aussprache. Es ist also ganz und gar kein perfektes Album. Doch im Rahmen der Liveshow sind diese kleinen Fehlerchen vertretbar und werden durch die Atmosphäre des Ganzen egalisiert.



Musikalisch kann ich an diesem Werk von Skepticism also wirklich nichts bemäkeln.

Wäre nur die Pressqualität der beiden Platten nicht so unterirdisch (inkl. richtig böser Schäden) und die Kommunikationsbereitschaft des Verkäufers diesbezüglich so nichtexistent...  Ich habe ja eine große Schwäche für weißes Vinyl. Hätte ich in diesem Fall anscheinend auch besser genommen. Die Schwarzweiß-Splatterversion taugt leider nur optisch:


Leider liegt kein Downloadcode dabei, so das ich noch einmal extra bezahlt habe, um zumindest eine ordentliche digitale Version des Albums zu besitzen.

Ansonsten ist das Hauptmedium der Veröffentlichung für mich allerdings die beiliegende DVD, auf der das Konzert in (fast) kompletter Länge zu sehen ist. Keine atemberaubend große Produktion mit zwanzig Kameras und wilden Schnitten, doch die Stimmung wird sehr direkt und intim eingefangen.
Die Bühnenpräsenz der fünfköpfigen Band ist stilvoll und schon angesichts der langsamen Schwermütigkeit der Musik natürlich eher unaufgeregt. Doch das ist alles schon genau richtig und macht mir schon große Lust, Skepticism nächstes Jahr live zu erleben.

Die Papphülle für den Silberling hätte man allerdings nicht ins Plattengatefold hineinkleben sollen. Sieht zwar gut aus, ist allerdings sehr unpraktisch. Ich lagere die DVD lieber extern.
Im Grunde nehme ich die LP-Hülle also nur noch in die Hand, um mir das schicke Cover mit dem abgelegten Bühnenzwirn des Sängers anzuschauen.

Nach den sechs neuen Stücken gibt es als Zugabe (auch in der reinen Audioversion) mit "Pouring" und "The March And The Stream" noch zwei ältere Stücke, die jedoch zur Abgrenzung nicht mit den Konzertbildern zu sehen sind, sondern mit diffusen schwarzweißen Naturaufnahmen unterlegt wurden, was sich tatsächlich auch sehr gut macht.

Insgesamt also eigentlich eine ganz hervorragende und besondere Veröffentlichung.

Uneigentlich allerdings würde ich hier bei einer Notenbewertung ganz klar material- und servicebedingt Frustpunkte abziehen und rate meinem guten Gewissen zuliebe auch ausdrücklich dazu, sich lieber die CD-Version (ebenfalls plus DVD) zuzulegen!



Anspieltipps: The Departure, Closing Music, March Incomplete, The March And The Stream

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen