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2015-10-31

NAPALM DEATH / VOIVOD - Split

Carcass, Obituary, Napalm Death und Voivod auf facebook abonniert zu haben, ist momentan schon eine Plage, wird man doch ständig daran erinnert, dass dieses Package gerade in Europa unterwegs ist, dabei aber nicht nach Norddeutschland kommt.
Touren, die nicht in Hamburg gastieren, sind ja  - ich jammerte zuletzt im Review zur Split 12" von Mono und The Ocean darüber - ein leidiges Thema in diesem Jahr.

Als Voivod im Sommer nur bis Rhein und Spree kamen, gab es immerhin ein kleines Trostpflaster in Form der Split-Single mit At The Gates. Und auch jetzt soll mir eine weitere Siebenzollscheibe den Schmerz wegpusten, welche sich die Kanadier mit niemand anderem als den englischen Grind-Paten Napalm Death teilen.




NAPALM DEATH / VOIVOD - Split 7" (white vinyl) (2015)

Wie schon auf der letzten Split-Scheibe hat Voivod-Drummer Away das schwarzweiße Coverartwork für beide Bands übernommen, wodurch das Teil optisch natürlich schon gewonnen hat.
Songtexte sind auch wieder dabei, das Vinyl ist bei mir diesmal century media-exklusiv weiß.

Beide Bands sind mit je einem frischen Song vertreten.

Napalm Death liefern schön panische Qualitätskost ab. "Phonetics For The Stupefied" hätte sich auch problemlos auf dem letzten Album eingefügt. Hervorragende dreieinhalb Minuten meisterlichen Gegrindes mit viel Gekreische rund um Barneys Growls.


Voivod anno 2015 sind einfach sensationell. Klar, bisher zeugen im Studio nur die beiden Split-Singles davon, doch auch "Forever Mountain" ist wieder ein Track, der ganz frisch und ohne bemühte Hach-früher-Attidüde die "Nothingface"-Phase der Band wiederaufleben lässt.

Die Gruppe besteht inzwischen mit dem längst aus Piggys Schatten gesprungenen und von allen Fans gepriesenen Chewy und dem Neu-Bassisten Rocky zur Hälfte aus ehemaligen Fans, die den Stil ihrer Vorbilder in der DNA haben - und das tut Voivod offensichtlich unglaublich gut und stachelt auch Drummer Away und vor allem Snake mit einer fantastisch schräg-melodischen Gesangsperformance an.

Der Song ist kürzer und direkter als zuletzt "We Are Connected"; qualitativ tun sich dei beiden gar nichts. Wenn die Band das Niveau diese Singles aufs nächste Album transportieren kann (und bitte auch die im Bassbereich etwask klarere Produktion!), dann sollte uns tatsächlich noch größeres als "Target Earth" erwarten.


Auch wenn der ureigene Progthrash der Kanadier und der Grindcore der Briten abgesehen von einer Vorliebe für fiese Akkorde musikalisch eigentlich wenig gemeinsam haben (oder?), passt die ja auch live erfolgreich erprobte Kombination von Voivod und Napalm Death super zusammen, wodurch diese Single im Gesamteindruck besser funktioniert als der Vorgänger, auf dem die Zusammenarbeit mit At The Gates sicherlich eher eine Idee des Labels war.

Auf jeden Fall darf es aus dieser Reihe gerne noch ein, zwei mehr geben. Dann aber bitte das Album - und dazu natürlich eine Tour, die Hamburg wieder berücksichtigt!


Anspielti...  ach komm!

Pink Tank Festival 2015 im Atzehoe (Itzehoe, 30.Oktober 2015)




Puh, das war ja mal eine lange Nacht gestern im Atzehoe!

Einlass 19:00 Uhr, sieben Bands - da hatte ich ja mit einem Beginn um halb acht und ein paar sehr kurzen Sets bei den ersten Bands gerechnet. Aber nein, von Hektik oder einem strammen Zeitplan war nichts zu spüren. Und so war es am Ende fast drei Uhr nachts, als die letzten Töne des Headliners Bone Man verklungen waren.

Man hätte dies natürlich ahnen können. Immerhin handelte es sich hier ja um ein Festival des Labels Pink Tank Records, was bedeutet, das alle Gruppen irgendwo im Stonergedöns-Dunstkreis unterwegs sind. Und da impliziert das Klischee doch schließlich eine gewisse Gelassenheit.


Die neulich erst in der Schaubude wie immer überzeugenden Kieler Knochenmänner plus sechs mir bisher unbekannte und allesamt genreverwandte Bands an einem Abend also. Nicht die leichteste Voraussetzung, um sich am müden nächsten Tag ein Review aus den Fingern zu saugen. Deswegen - und weil bei mir Montag schon das nächste Konzert auf dem Kalender steht - war ich eigentlich geneigt, mich diesmal nur mit einer kurzen Anwesenheitsnotiz im Blog zu begnügen.
Da ich aber explizit darum gebeten worden bin, will ich nun doch versuchen, zu jeder Band zumindest ein paar Worte zu finden.


Den Anfang machten Kalamata, die mit ihrem rifflastigen Midtempogroove-Stonerrock gleich ein paar Standards für die komplette Konzertnacht festlegten, u.a. dass keine Gitarre ohne Fuzzgequake, kein Bass ohne Brummgezerr bleiben durfte. Ebenso sollte jede Band ein Trio sein. Optional, um hier mitmischen zu dürfen, war allerdings Gesang; Kalamata war die erste von gleich zwei Instrumentalgruppen. Eine gute Sache, da gerade der Gesang mich in diesem Genre gerne mal etwas nervt. Es regnet sicherlich keine Originalitätspreise für Kalamata, ich habe aber auch nichts zu meckern. Gute Band!

Von ZQKMGDZ (griffiger ging's wohl nicht) [edit: 10.000km² gegen die Zeit bedeutet das. Muss man natürlich wissen.] blieb vor allem hängen, dass der Gitarrist/Sänger recht früh im Set mit viel freakigem Effektgeschraube eines der launigsten Soli des Abends ablieferte.
Ansonsten zwar eine ganz ordentliche Band, die mich im Moment auch unterhalten konnte, die mir über eine längere Spielzeit oder für den Konsum zu Hause allerdings doch noch etwas zu beliebig klang.

Interessanter wurde es mit Moewn, der zweiten gesangsfreien Gruppe auf dem Billing, welche zwar auch nicht auf das übliche Riffgebrate verzichtete, jedoch psychspacigen und postrockend schwebenden Klängen ein ähnliches Gewicht in ihren Arrangements gönnten, was streckenweise sogar zu fast an Maybeshewill erinnernden Verträumereien führte. Für mich die interessanteste Neuentdeckung des Abends.

Hätte ich vorher von den Bandnamen darauf geschlossen, wer wohl am wenigsten mein Ding sein würde, dann hätte ich auf Testosteroll getippt - und Recht behalten. Ist auch nicht weiter schlimm, denn was die vier (der einzige Verstoß gegen die Trio-Regel!) Kieler erreichen wollen, gelingt ihnen wohl auch. Es ist halt nur nicht mein Ding. Wobei die instrumentale Seite des Stoner Metals von Mid- bis Uptempo mit Einschlägen aus Punk und Rock'n'Roll ja durchaus partytauglich ist. Aber diese Art Geshoute hat mich schon immer einigermaßen gelangweilt.

So, wer kam dann eigentlich? Wir befinden uns nun schon im Bereich nach Mitternacht und meine Aufnahmefähigkeit geht durch ein leichtes Tal.
Lost Moon aus Italien waren es. Mit Sicherheit die bis dahin erfahrenste und technisch versierteste Band. Stilistisch ziemlich sortenreiner Stoner Rock ohne andere Eskapaden. Hat nicht wehgetan, brauche ich aber auch nicht zum Überleben. Ansonsten kann ich aber echt nicht viel zu ihnen sagen, da ich gerade echt müde war.

Craang waren mit ihrer Bassistin einsame Verfechter der Frauenquote, was musikalisch natürlich keine Rolle spielt, für mich in erster Linie aber mal praktisch ist, da solche Alleinstellungsmerkmale ja helfen, so einen Musikabend im Nachhinein zerebral zu entknoten. Die Musik taugte allerdings auch rundum. Tatsächlich war Craang die erste Band, die komplett in allen Wertungen - Sound, Songwriting, Gesangsarrangements usw. - voll überzeugen konnte. (Ok, zwei Bands hatten natürlich gar keinen Gesang...)

Ich bin ehrlich. Wäre jetzt noch eine für mich neue Band gekommen, hätte ich spätestens jetzt Feierabend gemacht. Wenn man jedoch weiß, was einen mit Bone Man erwartet, dann reißt man auch gerne noch eine weitere Stunde ab.
Denn was die kieler Fuzzmaschine in ihrem wieder "Shapeshifter"-lastigen Set an wilden Grooves und tiefenentspannter Panik auf das Publikum losließ, dass lag in Energie und Intensität doch noch auf einem ganz anderen Level als alles, was in den vorigen knapp sechs Stunden passiert war.
Bone Man sind in den letzten Jahren wirklich zu einer Klasse für sich geworden. Sollte man gesehen haben - Gelegenheiten gibt's ja genug dazu...


Erwähnte ich schon, dass Stoner Rock  nicht wirklich zu meinen Leib- und Magengenres gehört? Trotzdem ein sehr netter Abend mit viel Musik für schmales Geld.

Ich ärgere mich nur jetzt doch ein bisschen, dass ich mir die neue Platte von Moewn nicht mitgenommen habe. Scheiß Budgetdisziplin aber auch!


Demnächst gibt's an dieser Stelle dann Reviews zu Konzerten mit weitaus weniger Interpreten aus den Genres Neofolk/Noise/Metal und Jazz.



2015-10-22

Seven! Seven! Seven!



7 7 7





Siebenhundertsiebenundsiebzig veröffentlichte Posts!





Ach nee, Scheiße. Jetzt sind's ja 778.


 

2015-10-19

PARADISE LOST und LUCIFER live im Gruenspan, Hamburg (18.10.2015)


Paradise Lost

Was Paradise Lost so machen, habe ich seit einer kleinen Weile nicht mehr wirklich verfolgt. Will sagen, mein neuestes Album der Briten ist der Klassiker "Gothic" von 1991.  "Shades Of God" (1992) und "Icon" (1993) - oder vielleicht doch nur eines von beiden - hatte ich damals aber immerhin noch auf böse raubkopierter Kassette.

Live habe ich sie noch nie gesehen - glaube ich. Sie waren zwar genau wie ich auf dem Dynamo Open Air 1995, aber ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, ob wir uns getroffen haben.

Ich bin also insgesamt ein bisschen raus, habe allerdings mitgekommen, dass das aktuelle Album "The Plague Within" in Teilen erstmals wieder Death Metal inkl. Growlgesang enthält. Als Anreiz, das Konzert in Hamburg zu besuchen reichte das allerdings nicht aus, zumal die Band ja nächsten Jahr ohnehin auf dem Roadburn eine spezielle Show spielen wird, welche einzig aus dem kompletten "Gothic"-Album plus ganz neuen Stücken bestehen soll.

Warum also vorher noch ins Grünspan?
Die Antwort heißt Lucifer.

Lucifer


Als ich die Band um Johanna Sardonis (ex-The Oath) und Garry Jennings (ex-Cathedral) zuletzt im April sah, umfasste ihre Diskographie ja erst eine 7"-Single und ihre gemeinsame Bühnenerfahrung eine handvoll Gigs. Inzwischen haben Lucifer u.a. die Vereinigten Staaten betourt und natürlich ihr Debütalbum herausgebracht, was mir große Laune machte, sie mir ein weiteres Mal zu gönnen.

Die Gruppe hatte von Anfang an einen super Sound (insbesondere die Drums klangen besser als später beim Headliner) und konnten mich mit ihrem Traditionsdoom wieder voll überzeugen. Tendentiell gilt bei Lucifer allerdings "je langsamer desto besser". Das absolute Highlight war für mich jedenfalls "Sabbath", während die etwas hardrockiger angelegten Stücke das Niveau manchmal ein bisschen abflachten. Insgesamt war es aber ein toller Auftritt, in dessen Mittelpunkt natürlich wieder die eigenwillige Stimme der Sängerin stand.

Ich fand es überzeugend, und auch der größte Teil des restlichen schon anwesenden Publikums war der Band gewogen. Stimmungsmäßig kam es gegen die frenetisch gefeierte Show in der intimen Enge der Stage01 auf dem Roadburn Festival natürlich nicht an, doch als Support im Vorprogramm einer vielfäch dienstälteren Institution wie Paradise Lost war das schon ok und hat Lucifer sicherlich einige neue Hörer beschert.


In der Umbaupause lief interessante zwischen Rock und Filmscore pendelnde Musik, die mich an Zombi erinnerte und ich lernte zum ersten Mal, dass es durchaus nützlich sein kann, mit einem Smartphone-Besitzer (Yep, ich habe keines und bin trotzdem nicht neidisch auf Flüchtlinge!), der wiederum eine Musikerkennungs-App besitzt, unterwegs zu sein. Aber vielleicht wäre ich auch noch so darauf gekommen, dass es sich um das aktuelle Album von John Carpenter handelte.
Verdammt. Könnte sein, dass ich dass auch noch haben wollen müssen könnte.

Doch zurück zum Livegeschehen:

Paradise Lost

"If you don't like the album you're in for a very shitty evening."

So sprach Nick Holmes, und tatsächlich spielten Paradise Lost eine großzügige Portion von "The Plague Within", was mir persönlich auch ganz gut passte, da mir diese oft aggressiveren Stücke tatsächlich am besten gefielen, allen voran der zäheste Schleicher der Bandgeschichte "Beneath Broken Earth", dem nur noch die mächtige Orgel fehlt, um als Skepticism-Song durchzugehen. Sehr geil!

Zwischen den deathmetallischen neuen Stücken gab es natürlich auch noch eine Menge eher catchierer Klassiker, die gerade in der Kombination mit dem derberen Zeug auch sehr gut funktionierte. Ich muss zugeben, dass ich nach wie vor zu den Leuten gehöre, denen viele Stücke mit Growls statt cleanem Gesang besser gefallen würden und es für mich da schon ein paar kleine Spannungshänger gab. Doch im Großen und Ganzen war die Setlist diesbezüglich vorbildlich ausbalanciert.

Ein frühes Highlight im Programm war der Titelsong von "Gothic", bei dem mit Orchester und Operngesang natürlich eine Menge Begleitung aus der Konserve kommen musste.
Für die Tour verständlich, hoffe ich doch, dass beim "Gothic"-Jubiläumsset nächstes Jahr zumindest eine Sängerin aus Fleisch und Blut dabei sein wird. 

Fazit: Ein überzeugendes Konzert, vor allem wenn ich bedenke, dass mir ja kaum Songs näher vertraut waren. Man hat ja schon mal gelesen, dass Shows von Paradise Lost langweilig, zu kurz oder was auch immer gewesen sein sollen. Zumindest in Hamburg anno 2015 kann ich das überhaupt nicht bestätigen.

Bleibt nur die Frage, was sich der örtliche Veranstalter dabei gedacht hat, ausgerechnet bei diesem nicht gerade stagediving- und saalzerstörungsverdächtigen Package eine Barriere aufzustellen.
Die Energie hätte man besser nutzen können, z.B. um den stickigen Saal mal ein wenig durchzulüften.


Zum Abschluss noch ein paar diffuse Trashcambilder:

 Lucifer:






Paradise Lost:











 

2015-10-18

KARYN CRISIS' GOSPEL OF THE WITCHES - Salem's Wounds

Im März zusammen mit Morgoths "Ungod" gekauft und immer noch kein Bloggeschreibsel, während ich alle anderen aktuellen Scheiben meiner Sammlung seitdem schon hier abgefrühstückt habe. Sowas!


Nein, weder der Name Karyn Crisis noch ihre vormalige Band Crisis sagten mir etwas, als ich auf dieses Album aufmerksam wurde. Und auch die Gruppen Ephel Duath und Immolation, mit denen die Dame bzw. einige ihrer Mitstreiter in Verbindung stehen, waren mir nur namentlich bekannt.

Tatsächlich war es alleine das Cover, welches mich bewog, doch mal in den vorab veröffentlichten Song "Mother" reinzuhören. Zusammen reichte das dann auch schon, um dieses Album haben zu wollen.



KARYN CRISIS' GOSPEL OF THE WITCHES - Salem's Wounds (2LP) (2015)

Der Grund, warum ich dieses Review schon so lange vor mir her schiebe, ist in erster Linie, dass "Salem's Wound" ein wirklich sehr spezielles Konzeptalbum ist, für das ich nur sehr schwer Einordungen und Vergleiche finden kann, die mich selbst einigermaßen überzeugen.

Zum lyrischen Inhalt will ich mich tippfingerschonenderweise gar nicht groß äußern. Ich denke, noch deutlicher könnte einen das aus Protagonistinnensicht behandelte Thema durch das Artwork ja auch kaum anschreien:


Wir sehen hier übrigens u.a. Karyn Crisis, fotografiert in Kostümen von Karyn Crisis, sowie mit dem Pinsel portraitiert durch Karyn Crisis. (Hier nicht zu sehen, aber ein liebevolles Detail für Katzenfreunde, sind die Augen auf dem Label der LPs, die einem verstorbenen Kater - natürlich von Karyn Crisis - gehören.)

Da erkennt man auf jeden Fall schon vor dem ersten Ton Musik, dass hier jemand ungehindert eine umfassende künstlerische Vision umsetzen konnte.



"Salem's Wounds" ist ein Album, in dem der Gesang ganz klar die Hauptrolle spielt - und Karyn Crisis gehört mit ihrer Bandbreite, bei der in einer Textzeile von sanftem Gesäusel und melodischem Cleangesang über immer noch erstaunlich melodisches Aggrogekeife bis hin zu boshaften Death Metal-Growls alles dabei sein kann, sicherlich zu den extremsten Vokalistinnen, die die Szene hergibt.

Der für Kenner chartaffinen Metals naheliegende Vergleich mit Alissa White-Gluz trifft den Nagel allerdings nicht auf den Kopf. Ihre Wurzeln liegen ja eher im Hardcore und sie erinnert mich viel mehr an Julie Christmas (Battle Of Mice / Made Out Of Babies), von der ich im übrigen auch gerne mal wieder ein Lebenszeichen hören würde.
Da wo bei Christmas spätestens solo Shirley Bassey eingezogen ist, wurde Karyn Crisis irgendwann dem düster okkulten Black Metal-Einfluss ausgesetzt. Sie bleiben aber beide sehr offensiv und selbstbewusst exzentrische Sängerinnen, an deren Performance man unmöglich vorbeihören kann.

Ein weiterer Name, der sich schon fast zwanghaft aufdrängt, ist die große Diamanda Galas.  

Fast alle Songs auf "Salem's Wounds" wirken wie Anrufungen oder Beschwörungen. Es werden eine oder mehrere Gesangsmelodien eingeführt, wiederholt, miteinander gemischt, übereinandergetürmt und immer weiter gesteigert. Durch Crisis' eigene stimmliche Vielfalt und die Unterstützung männlicher Bandmitglieder in den ganz tiefen Grunzregistern, ist also gesanglich fast durchgehend sehr viel los. Es entsteht dabei auch mehr als ein Ohrwurm, doch die Arrangements bleiben bewusst sperrig - Easy Listening-Fans werden hier wohl brutal enttäuscht.


Auch die instrumentale Begleitung will es einem nicht unbedingt leicht machen. Dabei ist sie durchaus schon als Gegenpol zu der vielen Gesangsaction zu sehen und hält sich bis auf wenige Ausbrücke überwiegend im nachvollziehbaren langsamen bis Midtempobereich auf.

Die Basis erinnert mich an aus dem Death und Doom Metal kommende Bands wie Dark Millenium oder Tiamat, als sie sich in den frühen Neunzigern gegenüber allen möglich Stilen geöffnet haben.
Auch wenn es für Reviews bald schon ähnlicher Allgemeinplatz wie der auch hier nicht ganz zu verleugnende Verweis auf Pink Floyd ist, muss man gerade in Bezug auf die Leadgitarren auch zwingend Paradise Lost (oder wahlweise My Dying Bride) nennen.
Es gibt auch ein paar Elektro-Einsprengsel, die allerdings gar nicht groß als solche auffallen, da hier doch alles sehr stimmig im Sinne des Gesamteindrucks zusammenfindet.

"Salem's Wound" ist über einen langen Zeitraum entstanden und das Werk von Überzeugungstätern. So eine konsequente und eigenständige Umsetzung einer musikalischen und konzeptionellen Idee schüttelt man nicht mal eben aus dem Ärmel. Das ist schon sehr beeindruckend.

Dass es dabei mit dreizehn die Hörgewohnheiten herausfordernden Songs ein bisschen lang ist und manchmal anstrengend zugeht, wird bewusst in Kauf genommen - bei einem Horrorfilm soll man sich ja idealerweise auch nicht bequem im Sessel einkuscheln und entspannen.

Zwar ist das Niveau der Platte durchaus Schwankungen unterworfen, doch unterm Strich gefällt bis begeistert mich eigentlich alles, was hier zu hören ist.

Meine größte Kritik betrifft etwas, das mir noch fehlt, nämlich hier und da die instrumentale Passage, in der sich die Musik noch etwas mehr von den dominanten Gesangsarrangements emanzipiert und selbst erzählt, und natürlich auch mindestens ein größeres Instrumentalstück, z.B. als Vorspiel zum Finale. Doch vielleicht denke ich da auch einfach noch zu sehr in den Regeln der klassischen Rock-Oper, an die Karyn Crisis' Gospel Of The Witches sich scheinbar nur sehr ungern halten.


Und zumindest bleibt damit ja auch noch ein Ansatz, an dem die Band arbeiten kann, wenn es um die Herkulesaufgabe geht, für dieses ungewöhnliche Album einen Nachfolger zu zimmern.

Große intensive  Kunst!





Anspieltipps: Mother, The Alchemist, Howl At The Moon, Aradia, The Ascent

2015-10-17

DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND - The Wolvennest Sessions

Gepriesen sei Lawrence G. Tesler, Erfinder der Copy&Paste-Funktion!

Was wäre es sonst mühsam, ein Review über Bands mit Namen wie Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand zu schreiben!

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Danke, Lawrence!
      

DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND - The Wolvennest Sessions (2015)

Nachdem ich neulich erst das neue Album "Joyride" rezensiert habe, liegt hier in giftigen Farben also schon der nächste Streich von Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand vor mir.

Außer dem Albumtitel gibt sich die Promo sehr spärlich mit jeglichen Begleitinformationen, doch ich konnte mir die Titel der drei Tracks sowie den VÖ-Termin (Mitte November) aus diesem Internet da fischen, und was das Internet sagt, muss ja stimmen.

Sowohl was den Musikstil als auch die absichtlich dumpfe Produktion angeht, knüpfen die "Wolvennest Sessions" eigentlich direkt an "Joyride" an. Vielleicht auch umgekehrt; wer weiß, ob Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand dieses Ding nicht schon vorher aufgenommen haben.

Es sind drei Stücke, doch wie das Wort "Sessions" schon suggeriert, haben es diese nicht zu eilig, auf den Punkt zu kommen (Psychedelic Rock halt) und sind entsprechend lang, nämlich zwischen neun und neunzehn Minuten.
Hauptmerkmal aller Tracks sind ausdauernd repetitive Slow-Motion-Schrammelriffs und dieser seltsam narkotisierend einlullende und doch irgendwie fesselnde Gesang. Da ich Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand nächstes Jahr wahrscheinlich live sehen werde, bin ich schon sehr gespannt, welche Wirkung die Sängerin damit wohl auf der Bühne erzielt.


Der längste Titel und Opener "Out Of Darkness Deep" klingt ein wenig so, als würden Ministry-Musiker "Set The Controls For The Heart Of The Sun" jammen. Es ist auch das Stück mit dem stärksten Industrial-Einschlag.

"Unreal" wird über seine komplette Länge von einem Geistersound untermalt, wie man ihn in sauberer rausgeputzer Art auch bei den italienischen Horror-Proggern Goblin Rebirth verorten könnte.

"Evil Love" schließlich behält einen Funken dieser gespenstischen Atmosphäre bei, ist im Grunde aber ein unter fiesen Drogen wahrgenommener Black Metal mit batterieschwach schleichendem Drumroboter, über den ein Gothic-Nichtliebeslied gesungen wird.


Ja, das klingt alles etwas komisch und ist es tatsächlich auch.
Es klingt aber auch gut!


Ok, vielleicht könnte der Sound noch... aber vielleicht muss das auch gerade so... keine Ahnung, das wird bei Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand wohl die unbeantwortete Dauerfrage bleiben.

Dieses Review wurde ermöglicht durch eine Promo-CD aus Österreich, das Internet und den guten alten Lawrence G. Tesler.

In diesem Sinne:

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand

      

Anspieltipps: Out Of Darkness Deep, Evil Love

SWANS - The Gate

Michael Gira hat die finale Runde eingeläutet - für die Swans in ihrer jetzigen Form.

Das heißt, es wird zwar danach weitergehen, aber vermutlich mit neu ausgerichtetem Konzept? Line-Up? Arbeitsrhythmus? Wer weiß? Der Meister selbst weiß anscheinend selbst auch noch nicht, wie genau die Swans nach 2016 aussehen werden.

Die letzten fünf Jahre war die Band ja damit dauerbeschäftigt, live ohrenzerfetzend kakophonische Monumente aus im Kern doch immer noch erstaunlich musikalischem Lärm aufzutürmen und wieder einzureißen, die auf jedem Konzert anders herabfallenden Fragmente im Studio zu etwas ganz neuem zusammenzubauen und danach wieder vor Publikum zu dekonstruieren.

Jetzt gerade arbeitet diese Swans-Inkarnation also an ihrem letzten, noch unbetitelten Album, um danach noch einmal im Stile der letzten beiden Tourneen Angst und Ohrenklingeln zu verbreiten.

Finanziert werden die aufwendigen Aufnahmen einmal mehr durch Vorbestellungen, zu denen es wieder eine exklusive Live-Doppel-CD gibt, diesmal in einer handsignierten und -nummerierten Auflage von 2500 Stück.

Nr. 403 / 2500


SWANS - The Gate (2015)

Im Grunde könnte ich an dieser Stelle auf mein Review zu "Not Here / Not Now" verweisen, die den aktuellen Stand der Dinge zwischen den letzten beiden Studioalben "The Seer" und "To Be Kind" dokumentierte.

Wieder ist das Cover bei jedem einzelnen Exemplar unterschiedlich gestaltet, man hat also nicht nur ein limitiertes Album, sondern auch äußerlich sichtbar tatsächlich ein Unikat in der Hand.
Dazu gibt es einen Beipackzettel mit Liner Notes zu jedem Track.

Auch die Aufteilung ist wieder ähnlich: Auf anderthalb CDs sind Liveaufnahmen zu hören, die zeigen, wohin sich die Stücke von "To Be Kind" entwickelt haben, und woraus möglicherweise neue Ideen für das kommende Album generiert wurden.
Der Rest gehört Michael Gira alleine an der Gitarre, und er präsentiert uns ein paar Songframente und Rhythmusgitarren-Ideen in ihrem frühen Demostadium.

Was sich daraus letztendlich entwickeln wird, kann man natürlich nicht sagen. Vermutlich geht vieles wieder in ganz andere Richtungen. Bisher werden sowohl brachialer Krach, hypnotysche Ryhthmen, balladeske Töne, als auch lange experimentell-atmosphärische Passagen angedeutet. Wie die Gewichtung im Studio ausfallen wird, muss sich dann zeigen.

Entscheidend für diese Veröffentlichung hier ist jedoch, dass sie problemlos auch für sich alleine stehen kann.

Die Liveaufnahmen aus dem berliner Berghain sind allesamt gnadenlos gelungen und zeigen die Band in Bestform. Gleich drei Tracks bewegen sich rund um die Dreißig-Minuten-Marke. Und wer sich "The Gate" jetzt noch besorgt (was nicht billig sein dürfte), der weiß eh genau, dass jede Minute davon sinnvollst investierte Lebenszeit ist.

Die Demos sind eine sympathische Zugabe, die nicht nur wirklich gut hörbar ist und die Vorfreude aufs nächste Werk anfeuert, sondern auch einfach davon zeugt, dass Meister Gira ein Kümmerer ist, der seine Fans wirklich gern hat.


Es gilt also weiterhin: Die Swans machen keine halben Sachen und verbreiten tonnenweise Liebe. Wenn's sein muss auch mit Gewalt.
 

Anspieltipps: A Little God In My Hands, Frankie M., People Like Us, Apost / Cloud Of Unforming

LANA DEL REY - Honeymoon

Lana Del Rey hatte zwischendurch ja mal damit kokettiert, aufzuhören, da sie meinte, bereits alles gesagt zu haben. Nun hat die Kreativität allerdings doch noch einmal für ein komplettes Album mit vierzehn Songs gereicht.

Da ihr sensationelles letztes Album "Ultraviolence" ihr nicht nur neue Fans beschert, sondern auch viele Anhänger der werberelevanten Zielgruppe verprellt hatte, war man ja schon vorgewarnt, dass es eher nicht im gitarrenlastigen, schmutzig produzierten Soundgewand weitergehen würde.

Geht die Reise also zurück zum Debüt "Born To Die", das zwar durchaus einige ordentliche Songs enthielt, insgesamt aber nicht nur stilistisch durchwachsen sondern z.T. musikalisch einfach schlecht gemacht war?
Oder eher zu dessen EP-Anhängsel "Paradise", für welches man sich dann anscheinend durchgehend vernünftige Arrangements leisten konnte?






LANA DEL REY - Honeymoon (red vinyl 2LP) (2015)

Die Antwort ist wohl am ehesten, dass die Sängerin sich nach vorne orientiert und  innerhalb ihres Kosmos ein in sich geschlossenes neues Kapitel aufschlägt, welches auf allen vorigen Veröffentlichungen aufbaut und zusätzlich ein paar neue Akzente setzt.

Wer  Lana Del Rey generell nicht mag und nicht die Muse oder Fähigkeit hat, aufmerksam hinzuhören - was ich gerade einem gewissen Anteil der eigentlich nicht an Musik interessierten Pop-Konsumenten einfach mal unterstelle -, der wird angesichts des Titelsongs, mit dem das Album eröffnet wird, wohl schon stöhnen, dass "Miss Valium" zurück ist.
"Honeymoon" ist eine sparsam arrangierte und dennoch dick aufgetragene Piano/Streicherballade, welche gewissermaßen den Grundton für alles folgende setzt.

Abgesehen von den poppigen Singles "High By The Beach" und "Music To Watch Boys To", in denen nach bewährter Del Rey-Tradition am ehesten mal eine Hook etwas nerven kann, ist die Dame zumeist in für Popverhältnisse sowohl langsamen als auch langen Kompositionen unterwegs.

Wie nie zuvor steht dabei ihre Stimme im Vordergrund, und ihr Gesangsdarbietung war bisher auch noch nie durchgehend derart gut.

Das heißt allerdings zum Glück nicht, dass bei der instrumentalen Untermalung gekleckert wurde. Zwar wirken die Arrangements über weite Strecken zunächst sehr reduziert, in Wahrheit stecken aber sehr viel Detailreichtum und Abwechslung in "Honeymoon".    

Der Rhythmus ist - so er denn kommt - mal analog, mal digital, wie es der Song gerade verlangt, und auch sonst wird eine vielzahl unterschiedlicher Sounds und Instrumente aufgefahren. Selbst die hier insgesamt weit hinter Streichern und Piano zurückstehende Gitarre wird nicht vollkommen vernachlässigt.
Zwischen dem auch als Original von Tori Amos vorstellbaren "Terrence Loves You", den fiesen Einbremsbeats von "Freak" und dem lässigen Flirt mit Italo-Schlager-Klischees in "Salvatore" passiert hier wirklich einiges.

Die Hauptrolle spielt aber jederzeit Lana Del Rey selbst, deren Performance auch durchgehend in der Lage ist, das Album zu tragen.

Inhaltlich bleibt ihr Universum natürlich begrenzt. Liebe im Rausch, melancholischer Partykater, kalifornische Sonne und dazu jederzeit ein Statusupdate ihrer Playlist; hier wird Major Tom zitiert, da slowdanced sie zu Rockmusik, hat den Blues, hört nur noch Billie Holiday...

Am Ende wird es mit dem schwärzesten Tag immer finsterer und am Ende steht der Schwanengesang als Gegenstück zu den Flitterwochen, die das Album eröffnet haben.

Die abschließende Kür des Albums ist ein Cover des Nina Simone-Klassikers "Don't Let Me Be Misunderstood", welches Lana ganz passabel in ihren Stil überführt, auch wenn die Messlatte hier natürlich unfassbar hoch liegt. Und ich persönlich stehe wohl, wie ich bereits in einem früheren Review erwähnt habe, auch zu sehr auf die superlange Siebziger-Disco-Version des Songs von Santa Esmeralda, um mich hier vollkommen überzeugen zu lassen.


Insgesamt sind es nur wenige Songs oder Teile davon, die das hohe Gesamtniveau nicht ganz halten können, einen richtigen Ausfall gibt es allerdings nicht.


Nun zu den Äußerlichkeiten:
Die Platte macht was her. Da ich Popskeptiker ja im Grunde erst über die Fotografie von Neil Krug dazu gekommen bin, mich musikalisch mit Lana Del Rey zu befassen, freue ich mich, dass der Künstler bei der Gestaltung von Album und Booklet auch wieder gut vertreten ist.
Transparent rotes Vinyl geht ja sowieso immer, vor allem wenn die Farbe auch im Gesamtzusammenhang ästhetisch Sinn ergibt.

Und dass die Telefonnummer auf dem Cover in den USA tatsächlich anwählbar ist und mit Glück nicht nur eine Werbeschleife kommt, sondern die Künstlerin selbst am Hörer wartet, ist natürlich ein netter Werbegag - auch wenn alles was bei Lana Del Rey außerhalb der Alben stattfindet für mich ja sonst tendentiell eher uninteressant ist.



Und wo sortiere ich "Honeymoon" nun in der Diskographie ein?

Besser als das Debüt ist das Stück von meiner Warte aus auf jeden Fall.
Der Vergleich mit dem direkten Vorgängeralbum fällt schwer, da sie sich sowohl von der stilistischen Ausrichtung als auch ihrer Produktionsphilosophie her so sehr unterscheiden.

"Honeymoon" ist handwerklich perfekter, doch wahrscheinlich wird mir "Ultraviolence" wohl immer etwas näher sein. Letztendlich bedienen die beiden Alben einfach verschiedene Nuancen der Del Rey-Stimmung und tun sich nicht viel.

Bock auf langsames, durchaus affektiertes und dennoch cooles Gefühlstheater muss man schon haben. Einwandfreier Pop-Qualitätskauf.

Anspieltipps: Terrence Loves You, Salvatore, The Blackest Day, Honeymoon, Freak

SKEPTICISM - Ordeal

Skepticism sind eine eher langsame Band. Und das betrifft sowohl ihre Musik als auch ihren regulären Veröffentlichungsrhythmus von fünf Jahren.

Da die Fans der Finnen auf das neue Werk nun sogar satte sieben Jahre warten mussten, haben diese sich als Entschädigung etwas Besonderes einfallen lassen.



SKEPTICISM - Ordeal (black&white splatter 2LP/DVD) (2015)

"Ordeal" wurde vor Konzertpublikum in einem Musikclub aufgenommen, ist also ein lupenreines Live-Album - jedoch mit neuem Songmaterial!

Ok, Skepticism sind bei weitem nicht die erste Band, die sich an dieser Übung versucht.
Natürlich sind die Zeiten, in denen solche Projekte im Rock und Jazz häufiger vorkamen (und auch im Studio noch viel mehr live eingespielt wurde) lange vorbei. Doch gerade erst dieses Jahr haben ja Motorpsycho ihr unfassbar kreatives und epochales "Konsert For Folk Flest" herausgebracht.

Bei den Norwegern wurde allerdings in erster Linie ein so wohl kaum wiederholbares (und auch nicht im Studio reproduzierbares), einmaliges Konzert für die Nachwelt erhalten.
Die Finnen hingegen hätten die Songs von "Ordeal" auch genauso gut als reguläres Studioalbum aufnehmen können.



Stattdessen aber nach sieben Jahren Funkstille, als relativ obskure Kultband in einem ebenso obskuren Subgenre eines Metal-Subgenres das Risiko eines Livealbums ohne Tricks und doppelten Boden. Warum?
Zum einen ist es natürlich ein sehr selbstbewusstes Statement, was an sich schon durchaus etwas wert ist, zum anderen funktioniert Funeral Doom als Livemusik auch in diesem Zusammenhang einfach mal sehr gut.


"Ordeal" besteht aus sechs Stücken zwischen sieben und zwölf Minuten.

Als mein Bruder zum ersten Mal ein Video der Band sah, sagte er, sie klinge wie eine zu langsam abgespielte Single von Amorphis. Damit hat man hier sowohl den Opener "You" als auch einige spätere Passagen tatsächlich ziemlich gut beschrieben. Für andere Lieder trifft allerdings eher die Beschreibung "zu schnell abgespielte Bell Witch" zu.
Die Musik ist also sehr getragen, strebt jedoch nicht nach absoluten Slow-Motion-Rekorden.

Die Wurzeln liegen ganz klar im deathmetallischen Doom.

Skepticism erzeugen dazu - mal tieftraurig, mal erhebend - eine enorme klerikale Gravitas durch die sehr zentrale Rolle der Keyboards, die hier das absolute Gegenteil von Casio-Taschenerechnersounds abliefern. Nein, hier wird mächtiges, analoges Gerät aufgefahren. Die Orgel dröhnt satt und ehrfurchtgebietend, wie man es in welcher Art von Rockmusik auch immer nur selten zu hören bekommt.
(Klar, die gigantische trondheimer Kirchenorgel im oben erwähnten Motorpsycho-Album schlägt natürlich alles, lässt sich allerdings dafür auch auf keine Bühne mitnehmen. Und im Review dazu habe ich nebenbei ebenfalls die Vokabel "Gravitas" benutzt.)



Am Songwriting kann ich nichts beanstanden. Jedes Stück taugt als Paradebeispiel dafür, was großer Funeral Doom ist. Insbesondere ragt für mich "The Departure" heraus.
Der beste Einzelmoment des Albums ist wohl der recht abrupte Schluss von "Closing Music" und die unglaublich lange Pause, die das Publikum braucht, um das Ende zu realisieren und danach noch frenetischer zu applaudieren.

Natürlich hat "Ordeal" auch Schwächen, die man im Studio sicherlich vermieden hätte. So sitzt nicht jedes Timing zu hundert Prozent aufeinander und besonders der hauptsächlich aus Growls bestehende Gesang schwangt schon hörbar in seiner Lautstärke oder der Richtigkeit seiner englischen Aussprache. Es ist also ganz und gar kein perfektes Album. Doch im Rahmen der Liveshow sind diese kleinen Fehlerchen vertretbar und werden durch die Atmosphäre des Ganzen egalisiert.



Musikalisch kann ich an diesem Werk von Skepticism also wirklich nichts bemäkeln.

Wäre nur die Pressqualität der beiden Platten nicht so unterirdisch (inkl. richtig böser Schäden) und die Kommunikationsbereitschaft des Verkäufers diesbezüglich so nichtexistent...  Ich habe ja eine große Schwäche für weißes Vinyl. Hätte ich in diesem Fall anscheinend auch besser genommen. Die Schwarzweiß-Splatterversion taugt leider nur optisch:


Leider liegt kein Downloadcode dabei, so das ich noch einmal extra bezahlt habe, um zumindest eine ordentliche digitale Version des Albums zu besitzen.

Ansonsten ist das Hauptmedium der Veröffentlichung für mich allerdings die beiliegende DVD, auf der das Konzert in (fast) kompletter Länge zu sehen ist. Keine atemberaubend große Produktion mit zwanzig Kameras und wilden Schnitten, doch die Stimmung wird sehr direkt und intim eingefangen.
Die Bühnenpräsenz der fünfköpfigen Band ist stilvoll und schon angesichts der langsamen Schwermütigkeit der Musik natürlich eher unaufgeregt. Doch das ist alles schon genau richtig und macht mir schon große Lust, Skepticism nächstes Jahr live zu erleben.

Die Papphülle für den Silberling hätte man allerdings nicht ins Plattengatefold hineinkleben sollen. Sieht zwar gut aus, ist allerdings sehr unpraktisch. Ich lagere die DVD lieber extern.
Im Grunde nehme ich die LP-Hülle also nur noch in die Hand, um mir das schicke Cover mit dem abgelegten Bühnenzwirn des Sängers anzuschauen.

Nach den sechs neuen Stücken gibt es als Zugabe (auch in der reinen Audioversion) mit "Pouring" und "The March And The Stream" noch zwei ältere Stücke, die jedoch zur Abgrenzung nicht mit den Konzertbildern zu sehen sind, sondern mit diffusen schwarzweißen Naturaufnahmen unterlegt wurden, was sich tatsächlich auch sehr gut macht.

Insgesamt also eigentlich eine ganz hervorragende und besondere Veröffentlichung.

Uneigentlich allerdings würde ich hier bei einer Notenbewertung ganz klar material- und servicebedingt Frustpunkte abziehen und rate meinem guten Gewissen zuliebe auch ausdrücklich dazu, sich lieber die CD-Version (ebenfalls plus DVD) zuzulegen!



Anspieltipps: The Departure, Closing Music, March Incomplete, The March And The Stream

2015-10-16

MONO & THE OCEAN - Transcendental

Da Robin Staps, neben seiner Position als Gitarrist von The Ocean auch Chef des eigenen Labels Pelagic Records, seine Vorbestellungen offenbar gerne früh rausschicken lässt, bin ich heute mal in der Lage, eine Rezension zu schreiben, eine Woche bevor der entsprechende Tonträger offiziell erscheint.

Das hilft zumindest ein wenig gegen die Enttäuschung, dass die Split-EP (12" für 45rpm) von The Ocean mit den Japanern Mono eine Europa-Tour begleitet, die - ein trauriger Trend dieses Jahres - leider nicht in Hamburg oder anderswo im übernachtungsfrei erreichbaren Norddeutschland gastiert.




MONO & THE OCEAN - Transcendental (olive green/clear vinyl) (2015)

Schon von außen fällt auf, dass wie von Pelagic Records gewohnt "Transcendental" eine sehr liebevoll gestaltete und gut durchdachte Veröffentlichung ist.
Das Cover von Florian Bertmer sieht nicht nur fantastisch aus, sondern fügt sich mit seiner Verbindung zwischen fernöstlicher Bildsprache und ozeanischer Farbgestaltung auch gut in die Konzepte beider Bands ein, die hier jeweils mit einem Longtrack vertreten sind.

Aus erster Hand ist mittlerweile nur noch das schwarze Vinyl (oder die CD) zu haben, für Vorbesteller gab es noch eine ganze Reihe von Farbklecks-auf-Transparenz-Varianten, die sich alle auf das Coverartwork bezogen. Ok, das Grün wurde wohl nicht hundertprozentig so getroffen wie angestrebt, aber es sieht nach wie vor sehr stimmig aus. Von einem Maiden United-Desaster sind wir hier also weit entfernt. Nein ehrlich, das ist sehr schick:


Zur Musik:

Die instrumentalen Post-Metaller Mono machen mit dem elfminütigen "Death In Reverse" da weiter, wo sie letztes Jahr mit "The Last Dawn" aufgehört haben.
Dominiert von Taakakira Gotos unverwechselbarem Gitarrenspiel steigert sich eine kleine sehnsuchtsvolle Melodie in den ersten zwei Dritteln des Songs allmählich in ein immer lauter tosendes, wunderschön lärmendes Crescendo, ehe sich aus dem scheinbaren Ausklang ein von Klavier, Cello (gespielt von Helen Money) und Glockenspiel bestimmtes Thema erhebt, welches mich etwas an Dead Can Dance erinnert. Herrlich!

Auf der anderen Seite wird zunächst gar nicht so deutlich, dass es sich um eine andere Band handelt, beginnen The Ocean ihren fast dreizehnminütigen Beitrag doch mit einer Einleitung, die inklusive Cello und Piano wie eine rhythmisch gesteigerte Fortsetzung des von Mono begonnenen Themas klingt. Spätestens wenn das Lied in den bandeigenen, berührungsängstefreien progressiven Metal mit Sludgeeinschlag mündet, und allerspätestens sobald der Gesang einsetzt, ist aber zweifellos klar, dass hier die deutsche Gruppe am Werk ist.
"The Quiet Observer" ist ein insgesamt so gar nicht stiller, sehr epischer Track, in dem auch The Ocean eindrucksvoll zeigen, dass sie zu großen dramatischen Kompositionen fähig sind.

Ich habe mit der Gruppe, bzw. dem Kollektiv, wie sie sich ja selbst nennen, nur das eine Luxusproblem: Obwohl Loic Rossetti ein toller Sänger und Frontmann ist, der mir höchstens mal ein wenig zu wahllos zwischen Klargesang und Geschrei wechselt, wäre mir die Band als Instrumentalkombo irgendwie lieber, gerade auch hier in Kombination mit den Großmeistern Mono.
Vermutlich ist es die Gewohnheit, dass ich das "Pelegial"-Album eigentlich nur in der gesangsfreien Version höre.

Wie gesagt, es ist ein Luxusproblem. Denn der Gesang ist ja nun wirklich nicht schlecht (da recht "modern" allerdings sicher nicht jedermanns Sache) - und erst recht nicht der Song als Ganzes.


Vor allem stimmt hier das Gesamtpaket. "Transcendental" bringt zwei unterschiedliche und doch wesensverwandte Bands zusammen und schafft dabei eine Split-Scheibe, die tatsächlich größer ist als die Summe ihrer beiden Hälften.

Und ist das mal nicht das beste, was man über einen Split-Release sagen kann?


Anspieltipps: Naja, je nachdem, welche Band einen mehr interessiert.



MOTORPSYCHO - Supersonic Scientists

Eine Best Of-Compilation beziehungsweise "A Young Person's Guide To Motorpsycho" (und zu deren fünfundzwanzigjähriger Bandgeschichte) - braucht man das?



MOTORPSYCHO - Supersonic Scientists (clear 2LP) (2015)

Wenn man langjähriger Fan der Norweger ist und schon alle Studioalben besitzt, kann man diese Doppel-LP wohl an sich vorbeiziehen lassen, da musikalisch alles bekannt sein sollte. Für Komplettisten (kann bei den vielen limitierten Spezialveröffentlichungen der Gruppe teuer werden) und Vinylsammler sieht die Sache wohl anders aus, zumal das Ding inklusiver ausführlicher Bandhistory im Gatefold und transparenter Scheiben wirklich hübsch aufgemacht ist.


Da ich persönlich die Band ja erst seit "Heavy Metal Fruit" kenne und die vielen Phasen davor für mich fast alle Neuland sind, kann ich die Anschaffung natürlich schon allein musikalisch voll rechtfertigen.

Ein, zwei Stücke sind nicht so ganz mein Ding, aber insgesamt ist dem Zusammensteller dieser neunzig Minuten Musikgeschichte mit den fünfzehn Songs auf "Supersonic Scientists" eine gute Übersicht über die heftigen, poppigen, experimentellen, episch ausladenen Schaffensperioden der Band gelungen. Gerade für Neuhörer oder Fans, die vielleicht erst ein oder wenige Werke von Motorpsycho kennen und sich weiter orientieren wollen, eine empfehlenswerte Anschaffung.

Ich bin auf jeden Fall rundum zufrieden. Phänomenale Band, super Compilation!


Tracklist:
  • Nothing To Say (1993)
  • Little Lucid Moments Pt1: Lawned (2008)
  • Vortex Surfer (1998)
  • Dominoes (2014)
  • Starhammer (2010)
  • The Nerve Tattoo (1996)
  • Starmelt / Lovelight (1997)
  • In Our Tree (2006)
  • The Other Fool (1999)
  • The Afterglow (2013)
  • Go To California (2001)
  • Cloudwalker (2014)
  • Cornucopia (...Or Satan, Uh...Something) (2009)
  • Serpentine (2002)
  • The Golden Core (1994)

2015-10-07

JK FLESH - Nothing Is Free

BRRRRRZZZ BRRRRZZZZ KKRRRRRRR BOOUUMMM UMPF UMPF UMPF UMPF UMPF RAUSCHHHH KNARRZDZZZ FUZZ BOUMM


JK FLESH - Nothing Is Free (mp3) (2015)

DUB KH DUB KH DUB KHKH ZRRRR FUZZ BRRUMM KNARRRTZZ UMPF UMPF ZZZSSZZZ DUB KH DUB KH FUZZZZ  T T T T SSSS DRRRÖÖÖHHNNN GNNNN UMPF UMPF UMPF STUMPFF KKKRRRZZZ BRRRRT T T T T BUMM TUUUUUT ZZZZ BRRMPF BRRMPF BRRMPF DUB RRRTZ FUZZ OUUMPPF TICKETICKETICKETICKE UMPF UMPF DÖNG DÖNG DÖNG DÖNG DOUMMMBH KLACKLACKKLACK ZZZZT DUB DRRRZZZH

Was soll man machen? Elektrotechnodubfuzzgeknarze von Justin Broadrick halt.  Ist gyle. Ich kann ja auch nichts dafür.

Wer die Dub-Mixe vieler Godflesh-Stücke mag, wird voll bedient.

HIER auf Bandcamp reinhören und runterladen!


Anspieltipps: Peace In Pieces, Pleasurer, Nothing Is Free


2015-10-04

METAL ALLEGIANCE - Metal Allegiance

Nein, ein potentieller Blindkauf wäre dieses Album für mich nicht.

Gib mir nur das Cover plus den derbe kreativen Bandnamen / Albumtitel Metal Allegiance, und ich würde das Ding wahrscheinlich nicht einmal mit Handschuhen anfassen.

Aber zum Glück kannte ich ja sowohl die Story zu diesem Album (hätte alleine aber nicht zum Kauf gereicht) und vor allem zwei saustarke Promotracks, die mich schließlich überzeugt haben, dass ich dieses Ding haben musste.






METAL ALLEGIANCE - Metal Allegiance (LP) (2015)

Schon ein Blick auf das Backcover erschlägt einen mit prominenten Namen (hauptsächlich) aus der nordamerikanischen Metalszene und lässt so manchen Printmagazin-Rezensenten, der ein Zeichenlimit zu beachten hat, wahrscheinlich verzweifeln. Schlägt man dann das Gatefold auf, wird der Band Aid würdige Namedropping-Overkill mit Einzelfotos von fünfundzwanzig Musikern Gewissheit. Kann das gut gehen?

Wir sehen aber auch, dass es einen hochkarätig besetzten, kreativen Kern in dieser Allstar-Truppe gibt, bestehend aus Alex Skolnick (Testament) an der Gitarre, Megadeth-Bassist David Ellefson, Zur-Zeit-hauptsächlich-The Winery Dogs-Drummer Mike Portnoy und Mark "wer?" Menghi.


Mark Menghi ist als Musiker das bei weitem unbeschriebenste Blatt auf diesem Album, ist allerdings tatsächlich der Mann hinter demm Vorhang, der diese Gruppe erst ins Leben gerufen hat.

Zunächst einmal basierte Metal Allegiance auf der Idee, einen großen Haufen Metalstars, dort wo sie sich ohnehin alle für Clinics u.a. Werbeauftritte aufhielten (sprich: Musikmesse) gemeinsam auf die Bühne zu holen, wo sie dann bei ständigem Tausch der Instrumente die Klassiker ihrer Idole covern sollten. Später wurde das Ganze dann auf Festivalebene (bzw. Kreuzfahrt, was heutzutage ja auch voll Metal ist) übertragen.
Mit einer wild rotierenden Besetzung rund um Bands wie Anthrax, Testament, ehemalige Pantera-Mitglieder und vieler weiterer Musiker wie dem sich mit Charlie Benante an den Drums abwechslenden Portnoy wurde das Ganze schnell ein großer Liveerfolg.

Die Idee des Metal Allegiance-Albums war es, diese auf der Bühne schon aus organisatorischen Gründen wohl immer raren und für sich einzigartigen Konzerte um einen Kanon eigener Songs zu erweitern, wozu sich das genannte Kernquartett zusammengefunden hat.
Mark Menghi fungiert dabei vor allem als Produzent, Texter und Komponist, verbucht aber auch bei zwei Songs Credits als Bassist.

Man erinnert sich natürlich daran, wie ebenfalls unter Mitwirkung Mike Portnoys Dream Theater mit "Train Of Thought" ihre Version eines klassischen Metalalbums kreierten. Metal Allegiance tun hier im Grunde etwas ganz ähnliches, nur ist die Basis eben nicht eine Progmetalband, sondern die Zusammenkunft einiger der größten Köpfe des US-Thrashmetals.

Was sich hier ebenfalls wiederholt ist, dass schon vom Aufbau des Albums her einige formale Dinge an die großen Metallica-Alben der Achtziger erinnern. So ist der vorletzte reguläre Song das große Instrumentalstück, und auch das zweite Lied hat diesen langen, nichtmetallischen Instrumentalteil - hier auf die Spitze getrieben durch Flamenco-Gitarren und den Shoutout an Spinal Taps "Big Bottom", eine kurze Passage, in der gleich drei Bässe gleichzeitig spielen.

Diese beiden Songs beinhalten auch die proggigsten Elemente des Albums. Insbesondere das Instrumental, welches zunächst auch eher im Metallica-Modus beginnt, dürfte für die meisten Beteiligten außer Portnoy und die mit je einem Solo vertretenen Leadgitarristen Misha Mansoor (Periphery) und Ben Weinman (The Dillinger Escape Plan) eine eher ungewohnte Übung darstellen.

Die Basis des Albums ist aber eindeutig teils klassischer, aber manchmal auch moderner amerikanischer Thrash Metal. Für Ellefson und Skolnick natürlich absolute Kernkompetenz und für Portnoy ganz klar hörbar ein lange gehegter Wunsch in seiner stilistisch breiten Diskographie. Solch ein derbes Doublebassgeratter und Geknatter hat man auf kompletter Albumlänge von ihm noch nie erlebt. Absolut auf dem Niveau seines Buddys Benante von Anthrax. Die typischen Portoyismen fallen hier aufgrund des meist hohen Tempos übrigens etwas weniger auf als bei seinen anderen Projekten.

Instrumental hauen die Herren hier wirklich einen Knaller nach dem nächsten raus.

Und als i-Tüpfelchen kommen dann die weiteren Gastmusiker oben drauf, von denen natürlich gerade die Sänger die einzelnen Songs enorm prägen.

Das Album beginnt mit "Gift Of Pain" aggressiv und voll in die Fresse. Es brüllt Randall Blythe von Lamb Of God und im Finale leadduelliert sich Alex Skolnick mit Exodus- und Slayer-Klampfer Gary Holt. Das ist schonmal ein Ausrufezeichen!

Auch im schon erwähnten zweiten Song "Let Darkness Fall" darf Blythe noch mitbrüllen, die Leadstimme kommt allerdings von Troy Sanders (Mastodon).

Der "Dying Song" lässt danach gekonnt Pantera wiederaufleben, ohne die Band jedoch zu kopieren. Lyrics and vocals von Phil Anselmo himself. Im Vergleich eine der langsameren Nummern, streckenweise gar mit leichtem "Cemetery Gates"-Touch. Ein ganz großes Ding.

Mit "Can't Kill The Devil" geht's dann schon eher in den Bereich der Kopie. Ist aber gar nicht schlimm. Chuck Billy übernimmt das Mikro, womit gleich zwei Testament-Mitglieder vertreten sind. Und so klingt das Ding dann auch: wie Testament auf maximalem Gaspedal. Zusätzliche Gitarrencredits gehen an Phil Demmel (Machine Head) und Sepultura-Legende Andreas Kisser. Saugeil!

Diese ersten vier Stücke sind ein Wahnsinnsritt, der den inneren Nörgler schon fast nach einem kleinen Dämpfer verlangen lässt, um etwas runterzukommen.
In "Scars" kommt der dann auch. Allerdings muss ich vorab zugeben, dass sich alle Kritik hier auf immens hohem Niveau befindet. Doch der bis dahin von Death Angel-Sänger Mark Osegueda ganz ordentlich getragene Song sorgt für leichtes Stirnrunzeln, als im Refrain plötzlich Christina Scabbia (Lacuna Coil) den Leadgesang übernimmt. Natürlich hat die Frau eine Superstimme, die mir auf Ayreons "The Theory Of Everything" ganz wunderbar gefällt, doch hier wirkt mir ihr Einsatz unstimmig und zu gewollt. Außerdem bekommt sie zudem noch die klischeehafteste Scheibe vom Text ab.

Die nächsten beiden Stücke sind beide nicht schlecht, kommen allerdings auch noch nicht wieder an das Niveau der ersten Tracks heran. Matthew K. Heafy von Trivium, der auf dem Album auch noch ein paar Gitarreneinsätze verbuchen kann, ist einfach nicht so der Sängertyp, der bei mir hängen bleibt.

Von Doug Pinnik, der sich mit Hatebreeds Jamey Jasta in "Wait Until Tomorrow" abwechselt, halte ich schon mehr. Allerdings wirkt der King's X-Sänger ähnlich wie Scabbia auf diesem Auf-die-Glocke-Metalalbum ein wenig deplaziert. Vielleicht ist es auch nur die Kombination mit Jasta, welcher mir als Gast bei Body Count - auch wenn in meinem Review nicht erwähnt - besser gefallen hat.

Mit dem längsten Stück, dem Instrumental "Triangulum", nimmt dass Album danach wieder hundertprozentige Fahrt auf. Gibt's noch unerwähnte Gitarristen-Credits? Yep, u.a.  ist ein gewisser Bumblefoot dabei - und überraschenderweise Charlie Benante, der neben dem Getrommele anscheinend auch die sechs Saiten mehr als nur ganz passabel beherrscht.

Zum Abschluss (zumindest der Eigenkompositionen) muss noch ein weiteres Klischee abgefrühstückt werden: die Bandhymne. Und wow! "Pledge Of Allegiance" holt noch einmal so richtig den Knüppel aus dem Sack. Wem bei diesem Qualitätsthrasher nicht warm ums Metalherz wird, der muss ein schlechter Mensch sein. Allein dieses Finale, wenn sich Mark Oseguedas Geshoute mit einem Leadgitarrenkrieg zwischen Gary Holt und Andreas Kisser mischt... mehr Metal geht nicht!

Aber es geht durchaus noch mehr Rock!

Ganz ohne Coverversion wie in der Livetradition sollte das Metal Allegiance-Album nämlich nicht ausfallen, und so gibt es als Bonustrack zum Abschluss noch Dios "We Rock".

Angesichts der Gesangscredits (gleich sechs Stimmen) habe ich hier schon den weihnachtssinglemäßigen Overkill erwartet, doch die Anteile sind vernünftig verteilt und das Ding macht einfach Spaß.
Osegueda und Chuck Billy waren ja schon vorher zu hören. Hinzu kommen noch Steve Zouza (Exodus), Tim "Ripper" Owens, Chris Jericho und last but not least Alissa White-Gluez, für die es mich besonders freut, dass sie hier auch mal mit einer richtig geilen Band zocken darf.


Puuh... wenn das jetzt mal kein Informationsüberschuss gewesen ist...  so viele Namen,

Aber keine Sorge: das Ding zu hören ist bei weitem nicht so kompliziert, wie über das Line-Up  zu schreiben.
Da darf man auch einfach mal den Intellekt ausschalten und ekstatisch die Rübe schütteln.

"Metal Allegiance" von Metal Allegiance ist trotz leichter Abzüge im Mittelteil vielleicht das Metal-Album 2015.
Auf jeden Fall ist es sicherlich einer der Gründe, warum ich es bisher noch nicht so eilig habe mit der neuen Slayer.

Sehr sehr geil!

(Und das sage ich als jemand, der abgesehen von ihrwisstschonwem das Studioschaffen von fast keinem der beteiligten Musiker verfolgt.)




Anspieltipps: Pledge Of Allegiance, Dying Song, Can't Kill The Devil, Gift Of Pain, Triangulum


2015-10-03

MAYBESHEWILL - Fair Youth

Feiertag, Zeit sich zu entspannen!

Ich hätte da auch eine Platte anzubieten, mit der das ganz wunderbar geht.


MAYBESHEWILL - Fair Youth (LP/CD) (2014)


Der Musikstil der Briten ist instrumentaler Post-Rock.

Dieser ist rhythmisch meistens treibend und voller Energie, die sich bisweilen auch im Zusammenspiel mit breiten Gitarrenwänden entlädt. Dominiert wird der Sound allerdings von Klaviermelodien, welche nicht nur von Gitarre und Keyboards, sondern u.a. auch durch Bläser, Streicher und im Finale einen Chor mit Harmonien angereichert werden.

Passagenweise klingt das Ganze nach der lichten Seite der Japaner Mono, den isländischen Monumentaleskapisten Sigur Rós oder englischen Landsmännern Archive. Bei einer Melodie des Titelstücks muss ich auch unwillkürlich an The Hirsch Effekt denken, die vor zwei Jahren ja im Vorprogramm von The Dillinger Escape Plan mit Maybeshewill die Bühne geteilt haben.  

Maybeshewill tragen also durchaus dick auf, ordnen jedoch alles der durchgehend unschuldig schwebend schönen Gesamtstimmung des Albums unter. So ist "Fair Youth" sicherlich kein Werk, aus dem man sich gezielt den einen Lieblingstrack zum Hören herauspickt. Dazu sind sich die einzelnen Stücke vielleicht z.T. auch zu ähnlich. Nein, dieses Album will am Stück genossen werden, und erlaubt einem, sich einfach mal fallen zu lassen und in jugendlicher Leichtigkeit zu baden.

"Fair Youth" ist einfach ein ohne Hintergedanken durchgehend schönes Album zwischen leichter Melancholie und befreitem Höhenflug. Es gibt Fans, die hier einen Mangel an Ecken und Kanten kritisieren. Ich finde allerdings, dass es solche - eben einfach schöne - Alben auch geben muss, zumal es davon nach meinem Empfinden auch nicht unbedingt unbegrenzt viele gelungene Exemplare gibt.

Maybeshewill bleiben bei aller entrückten Verträumtheit nicht nur immer noch eine Rockband, sondern kriegen auch stets die Kurve, sich nicht in inhaltsleerem Kitsch zu verlieren.

Prädikat (wenig überraschend): schön.
Ein kurzweiliges Album zum Genießen - oder alternativ auch zur Nutzung als F***musik.

Das Vinyl von "Fair Youth" ist inklusive CD-Version in diversen Onlinequellen zum sehr fairen Preis zu bekommen.

Selbst wer das Ding dann vielleicht nur 70% so gelungen findet wie ich, kann da eigentlich nichts verkehrt machen. Ob der Preis dauerhaft so bleibt, ist schwer zu sagen, zumal die Band leider kürzlich angekündigt hat, ihr Aktivitäten bald einzustellen. (Das war für mich auch Anlass, dieses Vermächtnis der Gruppe hier zu empfehlen.)
 
Anspieltipps: All Things Transient, In Amber, Waking Life, Volga