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2015-01-28

BJÖRK - Biophilia Live (the audiovisual package)

Der geduldigste Mensch der Welt bin ich sicher nicht. Aber ich habe meine Momente.

So lasse ich mir seit über einem Jahr von amazon Emails schicken, dass ein Album von Gordion Knot leider immer noch nicht lieferbar ist.
Oder nehmen wir die Vorbestellung der Neupressung von Bongs Album "Bethmoora": Während sich die Produktion immer weiter verzögerte, habe ich monatelang der Versuchung widerstanden, mir die dazugehörigen, längst heruntergeladenen mp3s anzuhören, weil ich es aus Prinzip zuerst die Platte hören wollte.

Und ebenso habe ich mir auch noch keinen Ton von "Vulnicura", dem geleakten und zumindest digital daher vorzeitig veröffentlichten neuen Album von Björk, angehört.

Zugegebenermaßen hilft dabei, dass ihre letzte Veröffentlichung für mich noch sehr frisch ist. Es handelt sich um das audiovisual package von "Biophilia Live".


BJÖRK - Biophilia Live (3LP/DVD) (2014)

Mit drei LPs (plus DVD) im Gatefoldcover ist diese Version von "Biophilia Live" schon ein durchaus beachtlicher Brocken im Plattenregal, und preislich ist das Paket für mich schon im Bereich Ich gönne mir mal was.

Dabei war das Studioalbum "Biophilia" für mich ja gar nicht der ganz große Wurf in Björks Diskographie. Unbestritten riesig war es in seinen Ambitionen, als multimediales gefühliges vs. wissenschaftliches Gesamtkunstwerk mit all seinen Apps und anderen Nebenbaustellen, doch genau das war auch seine Schwäche; oder ich war mit meinem Anspruch, einfach nur ein Album mit guter Musik ohne weiteren Erklärungsbedarf genießen zu wollen, zu banausig.

Wobei ich "Biophila" ausdrücklich niemals in irgendeiner Form schlecht fand, damit wir uns hier nicht missverstehen! Tatsächlich ist es mit der Zeit in all seiner experimentellen Sperrigkeit sogar noch gewachsen. Doch warum man daran so lange entwickeln und sogar neue Instrumente erfinden musste, das hat sich mir aus dem reinen Hören nicht erschlossen. Für mich klang das meiste einfach nach geschmackvollen, björk-typischen (Elektro-)Sounds.

Doch mit dieser Veröffentlichung kommen ja nun Live-Magie und die visuelle Komponente hinzu.

Das erste Instrument, welches wir (nach dem Intro) in dem auf dem letzten Konzert zu "Biophilia" in London aufgenommenen Film hören und sehen, ist eine Orgel - die sich selbst spielt. Ob live ferngesteuert oder vorab programmiert, das weiß man nicht.

Die Bühne befindet sich zu allen Seiten hin offen mitten im Publikum und ist mit allerhand seltsamem und z.T. sehr großem Intrumentarium zugestellt.
Musiker findet man - abgesehen von Björk und ihrem isländischen Damenchor - allerdings nur zwei. Einer ist Drummer und Perkussionist, der andere bedient vor allem Tablets und allerlei anderes für mich kryptisches Elektrozeug.

Aber zurück zum ersten Song. Das zweite Instrument, welches in "Thunderbolt" einsetzt, ist ein Blitze schleudernder Tesla-Transformator!
Wer also nach den ersten paar Minuten noch nicht verstanden hat, das dies ein ganz außergewöhnliches Konzert ist, dem ist eigentlich nicht zu helfen.

Was sich durch die komplette Performance zieht, ist das Staunen darüber, wie effektiv die eigentliche minimalistische Besetzung ist. Allein, wie das komplette Arrangement von "Possibly Maybe" nur mit dem Hang (siehe Wikipedia) umgesetzt wird, ist einfach nur fett und fantastisch.

Instrumentenbau-Nerds können vor allem angesichts der "gravity harp" in "Solstice" und dem nach Jules Verne und Cyberpunk riechendem Ungetüm der zweiten Zugabe "Sacrifice" große Augen bekommen. Und nein, ich versuche erst gar nicht, diese Gerätschaften zu beschreiben... optisch, klanglich, konzeptionell - und wörtlich - sind sie jedenfalls schon verdammt groß.

Die Seele des Konzerts liegt bei Björk natürlich jederzeit im Gesang, was ausdrücklich nicht nur ihr selbst, sondern auch dem unkonventionellen Chor zuzuschreiben ist.
 

Weitere Klassiker, die neben dem schon erwähnten "Possibly Maybe" und den dominierenden "Biophilia"-Songs in das Set eingebunden wurden, sind u.a. "Isobel", "Hidden Place", das energische "Declare Independence" und "One Day", in dem die ansonsten gesanglich großartig aufgelegte Björk ganz sympathisch an die Grenzen ihres Pfeiftalentes stößt.

Alle alten Songs werden so interpretiert, dass sie sich perfekt in das in sich sehr stimmige Klangspektrum der Show integrieren.

Alles in allem kann man bei diesem Konzert ohne Übertreibung von einem in jedem Detail einzigartigen Gesamtkunstwerk sprechen, orchestriert von einer Musikvisionärin, die ganz in ihrer Kunst aufgeht.

Für mich wertet die Live-Performance das "Biophilia"-Songmaterial auf jeden Fall enorm auf. Ein toller Konzertfilm!


Daneben sind in dieser Edition natürlich noch die drei Schallplatten enthalten. Ob zwei evtl. auch gereicht hätten, habe ich nun nicht ausgerechnet; anderseits bedeuten weniger Songs pro Seite ja auch mehr Platz für vollen Bass (=breitere Rille), also wird das schon seine Richtigkeit haben.

Im Grunde gibt es weiter nichts zu sagen. Allerdings hat mich schon genervt, dass Björks voluminöse rote Perücke nach der Tour anscheinend in der Vinyl-Produktion verwendet wurde, um die Scheiben abzuputzen. So fusselig kamen sie jedenfalls aus der neuen Hülle.

Das war dann zum Glück auch das einzige (Perücken-)Haar, welches ich in der Suppe finden konnte.

Ok, die Geschwindigkeit der mp3-Downloadseite für den beiliegenden Code war auch unterirdisch. Aberso eine Internettageslaune in eine Rezension einfließen zu lassen, wäre albern.

Von daher kann ich allen Björk-Fans dieses Paket voll empfehlen - auch wenn "Biophila" vielleicht nicht das persönliche Lieblingsalbum ist.


Anspieltipps: Mutual Core, Possibly Maybe, Crystalline, Isobel, Declare Independence, Hidden Place

2015-01-25

52 Wochen | 52 | stör / elbe

354/365 • stör / elbe

Hach, das wäre doch ein schönes Bild zum Abschluss.

Ja, ich kann richtig zählen! ;)
Bild 52 von Woche 52.

Dennoch kommt hier nächste Woche noch ein Nachschlag, da in meinem 365-Tages-Projekt, aus dem diese 52 Wochen rausgepickt sind, noch ganze 7 Tage übrig sind. Das kommt dadurch, dass ich nicht an einem Montag angefangen habe und auch nach der Zwangspause wegen kaputter Kamera nicht auf den "richtigen" Wochentag gewartet habe.

2015-01-20

SEVEN IMPALE - City Of The Sun

Wahnsinn! Seit Tagen hören ich das Ding nun in Dauerschleife und es haut mich immer noch um. Puh, langsam, Stephan... erstmal runterkommen...

Also... Zunächst einmal an alle, die sich nur in 4/4-Takt/Strophe/Refrain-Baukastensongs wohlfühlen oder generell kein Saxophon oder massives Namedropping in Reviews mögen: Ihr dürft an dieser Stelle aufhören zu lesen.

Allen anderen möchte ich ein göttliches Album empfehlen, welches es ein paar Wochen früher gekauft garantiert in die obere Hälfte meiner persönlichen Jahres-Charts geschafft hätte:



SEVEN IMPALE - City Of The Sun (Vinyl) (2014)

Als Seven Impale 2010 entstanden, so las ich in einem Interview, war die ursprüngliche Idee die einer Metalband. In dieser Hinsicht sind die Norweger grandios gescheitert.
Zwar spielt Metal auf den fünf Tracks dieser LP zwar durchaus eine wichtige Rolle, doch auf "City Of The Sun" passieren noch so unglaublich viele andere Dinge, die alle gleich bedeutsam für das Gesamtklangbild der Band sind, dass diese Genrebezeichnung schlicht falsch wäre.

"Progressive Jazzrock" wie es auf ihrer facebook-Seite heißt, trifft es da schon weit eher, lässt allerdings die tatsächliche stilistische Bandbreite, die Seven Impale auf ihrem Debütalbum zu einem stimmigen Ganzen verarbeiten, auch noch nicht erahnen.

Beim ersten Hören stand die Band für mich in erster Linie in der Tradition klassischer Jazz Fusion- und Progrock-Gruppen wie beispielsweise Weather Report, Passport (ja, das Saxophon ist sehr wichtig), alte Genesis, King Crimson (alle Phasen!), Van Der Graaf Generator, aber auch Santana, Gruppen die den damals verfügbaren Fundus aus Einflüssen von Rock, Blues, Jazz, Folk, Klassik usw. für ihre waghalsigen Songs ohne Scheu und Klappen geplündert haben.

Doch inzwischen hat die Zeit, sowohl was Musik als auch Tontechnik betrifft, natürlich nicht stillgestanden. Postrockbands errichten in minimaler Besetzung massive Walls Of Sound, die Rhythmussektion von Tool hat eine völlig eigene Art von verknotetem Groove erfunden, Gruppen wie Meshuggah verheiraten brutale Dampfhammerriffs mit Raketenwissenschaftsmathematik.
All dies fließt selbstverständlich in den großen Schmelztiegel Seven Impale mit hinein.

Natürlich gab und gibt es experimentelle Exzentriker, die das Spiel mit den Extremen verschiedener Einflüsse weiter getrieben haben, von denen mir insbesondere John Zorns auch nach 25 Jahren noch uneingeschränkt geniale "Naked City" oder Toby Drivers Band Kayo Dot hier nennenswert erscheinen.

Doch bei Seven Impale geht es auch weniger um den unbedingten Willen zur advantgardistischen Sperrigkeit, sondern vielmehr darum, aus einem riesigen Pool rund um die Eckpunkte Progrock/metal und Jazz einfach das Geilste herauszupicken und daraus Songs zu basteln, die zwar unkonventionell, vielschichtig, verrückt sind, aber stets packend - ob sie es nun einfühlsam mit sanften Gitarrenlicks und Pink Floyd-Tröpfelklängen angehen, ob die Uriah Heep-Orgel über Ranzbassriffs wütet oder sich das Saxophon kurz vor Songende zu erhabenen Melodien aufschwingt, zu denen man nur noch vor Glück weinen möchte. Und wer ein Album mit einem epischen Longtrack abschließt, der "God Left Us For A Black-Dressed Woman" heißt, der hat tendentiell ja eh schon gewonnen.

Insgesamt erinnern die Norweger mich in ihrem Sound, ihren Fähigkeiten und ihrer Unbefangenheit, aber auch gesanglich vor allem an die jazzrockigen Eskapaden ihrer Landsmänner Motorpsycho.

Doch auch gewisse Parallelen zu Steven Wilson (und ein wenig auch der in seiner Band zu zwei Dritteln vertretenen Aristocrats) und der aktuellen Progmetal-Kreativgroßmacht Haken lassen sich nicht von der Hand weisen.

"City Of The Sun" ist eine fantastische mireißende Wundertüte. Ich bin restlos entzückt!




Wollte ich krampfhaft Minuspunkte suchen, so fiele mir höchstens ein, dass ich das Logo auf dem Cover fälschlicherweise für einen abziehbaren Aufkleber gehalten habe, man sich mit Informationen jenseits der Songtitel vornehm zurückhält, und dass - wie leider noch so oft - keine CD oder Downloadversion des Albums enthalten ist.

Allerdings ist die Qualität der Schallplatte 1A und sie wurde auch nicht wie manche andere neue Tonträger vor dem Einschweißen an einem Wildschwein gerieben, so dass ich mir bereits im ersten Anlauf ohne Putzorgie eine optimale Kopie erstellen konnte.

Sagte ich schon, dass ich das Album gut finde?

Wahnsinn!
 
Anspieltipps: Eschaton Horo, Extraction, Oh, My Gravity!

2015-01-18

52 Wochen | 51 | dying battery

350/365 • dying battery

Wenn die Batterie so leer ist, dass man es nur noch gerade so schafft, die Kamera einzuschalten und den Auslöser zu drücken, bevor sie wieder ausgeht, dann können auch schon mal noch ungewöhnlichere Farben oder - wie hier - interessante Streifenmuster dabei herauskommen.

2015-01-17

LO! - The Tongueless

Look and behold! (maximal abgekürzt: Lo!)

Das erste Review des Jahres ist da, und es ist auch in anderer Hinsicht eine Premiere, ist es doch mein erster Text zu einer 7" (bzw. sogar zu gleich zwei davon).


LO! - The Tongueless (2 x transparent colour 7" vinyl) (2015)

Man muss es angesichts einer Veröffentlichung von vier Songs handelsüblicher Länge auf vier Single-Seiten eigentlich nicht extra betonen, aber ich tue es trotzdem: Nein, man hört Schallplatten nicht, weil es so super praktisch ist!

Doch hält man einen Schatz wie dieses von Pelagic Records herausgebrachte Schmuckstück in der Hand, spielt Bequemlichkeit auch keine Rolle. Optisch sind Gatefold (inkl. Texten) und die verschiedenfarbigen Vinylscheiben einfach ein ganz starkes Paket.

Das nützt natürlich wenig, wenn die Musik Kacke ist, doch das ist bei den australischen Sludge Metallern von Lo! zum Glück nicht der Fall. Das Gefummel zwischen jedem Song der netto insgesamt 17minütigen EP lohnt sich also.


"No Contrition" beginnt mit einem flotten Beat und einer simplen Vier-Akkord-Folge, die als Basis fast den gesamten Song bestimmt. Während der Sänger sich von Anfang an als ultraaggressiver Schreihals entpuppt, braucht die Musik noch ein paar Momente länger, um auf dem Normallevel von Lo! anzukommen, was bedeutet: mächtig brutaler, präzise gekloppter Ranz-Sludge mit hardcoriger bis deathmetallischer Kante. Die Dringlichkeit im Vortrag lässt mich (noch nicht ganz) an The Dillinger Escape Plan denken, aber immerhin erinnert mich das ganze Ding schon stark daran, dass ich ja noch gar keinen Tonträger von Old Man Gloom mein Eigen nenne.

Jeder Track variiert den Grundsound auf seine Weise. So tritt die Band bei "Orca" grindthrashig aufs Gaspedal und löst so ordentlich Schepperalarm aus.

Im unter dreiminütigen und somit kürzesten Stück vereinen sich die meisten Elemente: fast schon "uplifting" klingende punkige bis postrockige Leads, kurze Knüppelattacken und ein Part, der Justin K. Broadrick wohl mal aus dem Jesu-Karton herausgefallen ist.

Der Abschluss "Megafauna" beginnt reduziert und clean (bis auf den nach wie äußerst gereizten Schreihals), bleibt langsam und erinnert dabei im besten Sinne an die großen Yob.


Alles in allem ist "The Tongueless" eine hochwertige, abwechslungsreiche kleine Doppelscheibe für Freunde des brutalen, direkt produzierten Grummelschreibrüllgeranzes mit Niveau - und noch dazu ein optisches Highlight in der 7"-Sammlung.


Anspieltipps: Megafauna, Orca